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Züricher Morgenzeitung 1919.
Dada. Wir waren letzte Woche zu einer Soiree
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in die „Meise“ geladen. Das Programm- verhieß
Vorlesungen des Herrn Tristan Tzara, Mitbegründer
der Dadabewegung. Es war ein Erlebnis, es war
die Höhe. Es war unaussprechlich nett. Dada ist
eine Kunstrichtung, deren Benennung sich schon in
der Richtung des französischen Säuglingsvolapüks
orientiert: dadadada! Dafür ist man immer emp
fänglich. Im Vestibül ergingen sich Dadafiguren,
Frauen in strammanliegenden Kleidern, mit kurzge
schnittenen Haaren und männlichen Zügen. Auch
beim Zigarettenrauchen. Die Pünktlichkeit der Vor-
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lesung war ganz auf Dada eingestellt: eine halbe
Stunde wurde zwischen angekündigten Beginn und
wirklichen Anfang geschoben. Wie ein Keil (wir
nehmen jetzt Dadasprache an). Dann, dunkel, dämm-
rig, junger Mann, Zwicker, bleich, mager vortritt.
Sagt: Mein Kopf ist leer wie ein Bordellschrank (was
man ihm glaubt): Sagt: Mein Herz ist in eine Zei
tung versenkt (was man nicht merkt) stöhnt : Die
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Herzen und die Augen rollen in meinen Mund (wie
unappetitlich!). Hat Aesthetik, denn: Ich fürchte
mich, in ein Haus zu treten, wo die Baikone symme
trisch angeordnet sind (darum Flucht vor dem Steuer
amt). Und so fort. Applaus, Licht, Schweiß, Schluß.
— Nun, man braucht kein Satiriker zu sein; aber
diese Dadaisten ziehen die Gedankenschnörkel zu
kraus. Man muß schon pathologisch veranlagt sein,
um da was herauszulesen. Gleichwohl kann man