79 WALTER SCHOCKING <MARBURG>: DEUTSCHLAND IM HAAG Die deutsche Presse ist nicht müde geworden, die ablehnende)Haltung des Deutschen Reiches auf dem zweiten Haager Kongreß als einen großen diplomatischen Erfolg hinzustellen, und unsere Reichstagsboten sind ihr gefolgt. Wer aber durch Augenzeugen einmal erfahren hat, wie fast die gesamte deutsche Presse in bezug auf auswärtige Politik mittags zwischen 11 und 1 Uhr in der Wilhelmstraße gespeist wird, wird dieser Tatsache kaum irgendwelche Bedeutung beilegen können. Wohl hat die deutsche Presse, ebenso wie das Weißbuch der Regierung für den Reichstag, den Lesern alle Gründe vorgetragen, die der deutsche Delegierte Freiherr v. Marschall gegen das Projekt des obligatorischen Weltschiedsgerichts vorgebracht hat/ wohlweislich aber hat man den Lesern verschwiegen, daß diese Gründe juristischer Natur nach dem ausführlichen Bericht des Belgiers Guillaume für den Kongreß, der einen ganzen Folioband füllt, in den wichtigsten Punkten völlig widerlegt sind, ohne daß der deutsche Delegierte deshalb seine Stellung geändert hätte. Gewiß hatte trotzdem der Weltschiedsgerichtsvertrag einige Schwächen, aber es handelte sich weniger um die materielle Wertung des vorgeschlagenen Vertrages, als um die Anerkennung eines Prin- zips von ungeheurer Kulturbedeutung/ und selbst wenn man mit Recht den Weltschiedsvertrag wegen seiner Unvollkommenheiten für einen bloßen Schein halten könnte, so würde von solchem Scheine immer noch das kluge Wort Zorns zu gelten haben, daß auch darin eine be- deutungsvolle Wahrheit liegen kann, nämlich »die Verbesserung der internationalen Luft und des internationalen Lebens«, die durch solches Nachgeben gegen weit verbreitete und stark sich geltend machende Strömungen gewonnen werde. Leider sei solchen Erwägungen wohl der Soldat, aber nicht der Bureaukrat zugänglich. Vergegenwärtigen wir uns, daß es sich bei der Frage des obligato rischen Schiedsgerichts nach den Worten Zorns »um das große