104 LUDWIG MEIDNER: NÄCHTE DES MALERS Gewimmel von Pariserblau auf blanken Kreidegründen/ zynisches, meckerndes Zinkgelb/ Weiß mit Elfenbeinschwarz: das Kolorit der alten Bettlägerigen/ Permanentgrün neben Zinnobergeschrei/ Umbra, helles Kadmium und feurig Ultramarin überhaupt muß das Da- sein von fetten, strotzenden Ölfarbentuben eingeengt sein. Man muß sich fest einschließen in vier aschengraue Atelierwände, vor großen Leinewänden herumturnen, einsam schimpfen, wütend sein, sich krat- zen und eine Donnerwetter-Palette in der Faust haben. Ich denke mir die großartigsten Dinge aus, apokalyptische Gewim- mel, hebräische Propheten und Massengrab-Halluzinationen — denn der Geist ist alles, die Natur kann mir gestohlen bleiben. Aber das genügt nicht: die ölstrotzenden Tuben sind fast noch wichtiger, weil die Farben mitmalen, miterfinden, mitfeiern. Ich stelle mich manchmal blöde und ausgeleert vor die Stalfelei und grinse in meine unrasierten, sommersprossigen Backen hinein / da hüpft aus den zähen Chrom-Fladen auf einmal ein Umriß heraus, das Zin nober fängt zu schreien an und eine wunderbare Wirrwarr-Welt baut Sich allmählich unter meinen Borstpinseln auf. Ja, Farben, Farben ohne Zahl! Ich werde in eine Öl färben fabrik einheiraten. Meine Frau wird mir je tausend Tuben Umbra, Ocker, Kobalt, Kremserweiß und Krapplack in die Ehe bringen. Meine Frau wird eine Eckige, Frenetische, Heiße sein. Sie soll meilenlange Arme haben, mich fest an sich wickeln. Wir wollen uns in die enge Bettstatt pferchen, Ida, und von gebrannter Umbra träumen. Deinen Kopf werde ich dir abbeißen und Fangeball spielen in meinen grellen, zügellosen Nächten. Ihr Winternächte! Inbrunst, Wildheit bis früh um sechs. Her mit dem schneeigen Flockenbogen. Mit zuckenden Fingern grab' ich den Zimmermannsblei tief in den Sdmee. Ja, ich bin ein strenger Zeichner.