123 die Fremdherrschaft aufgefordert? Ich glaube, von denen, die jene Reden Fichtes heute rühmen, hat noch nicht einer unter hundert sie gelesen und nicht einer unter tausend sie verstanden. Gewiß, es sind patriotische Reden, sie sind patriotisch sogar im höchsten Sinne dieses Wortes-- sie sind nämlich durch und durch erfüllt vom soziafistischen Geiste. In dieser Verbindung sei mir die Zwischenbemerkung gestattet, daß ich es sehr bedaure, daß und wie bei den gegenwärtigenMeinungs« kämpfen in unserer Partei das Wort »Sozialpatrioten« in Gebrauch gekommen ist. Es ist das ein ganz begriffsloses Wort, da man mit dem Ausdruck Patriot niemals eine bestimmte Richtung in dem Streit um die Rolle der Nation bezeichnen kann. Will man eine Übertreibung oder falsche Anwendung des nationalen Gedankens durch Sozialisten kennzeichnen, so sage man Nationalsozialisten oder Sozialnationa« listen oder auch Sozialimperalisten, da jede solche Wortverbindung einen Gegensatz zur Internationalität anzeigt, wie wir diese bisher verstanden haben. Das tut das Wort Sozialpatriot aber nicht, denn im Begriff des Wortes Patriotismus liegt keine Übertreibung des nationalen Gedankens, kein Gegensatz gegen den Kosmopolitismus oder die Internationalität, Johann Gottlieb ‘Fichte war Patriot im höchsten Sinne des Wortes, sage ich, weil er Soziafist war, so gut man dies in Deutschland zu Anfang des 19. Jahrhunderts sein konnte. Seine Reden an die Deutschen waren ihrer Tendenz nach sozialistisch und nicht nationalistisch. Denn nach ihnen sollten die Deutschen sich aus der Bedrückung, unter der sie damals litten, emporheben durch eine „ganz neue Ordnung der Dinge”, wie wir heute sagen würden, eine soziafe Neuordnung,- und sie beschäftigten sich zum grössten Teil mit pädagogischen Fragen, da der Sozialismus, um überhaupt denkmöglich zu sein, zu einer Zeit, wo die ökonomischen Voraussetzungen der Sozialisierung der Pro duktion fehlten, vorwiegend Erziehungssoziaf ; smus sein mußte. Anknüpfend an die Gedanken Pestalozzis verkündet Fichte die Grün»