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Es muß wieder gelebt werden, bitter gelebt und freudig gegeben.
Aber sowas verlangt Verzichten, und das kann der heutige Literat
nicht mehr.
Ich hoffe:
1. daß die kommende Revolution alle „Ethik“ verbietet;
2. daß jeder Literat sein Leben einfach und ohne jede Erläuterung und
Rechtfertigung in soviel Arbeiterversammlungen erzählen muß, so
lange — bis er hinausgeworfen wird;
3. daß sämtliche Dichter und Schreiber nur dann ihre Bücher noch
auf den Markt bringen dürfen, wenn ihr Leben nicht langweilig war.
Dichter von heute:
Beschäftigungslose Söhne besserer Familien mit einem Monats
wechsel. Leute, die ihren Tenor nicht mehr halten können und des
halb die Buchdruckereien unsicher machen.
Fritz von Unruh/Gedichte
1
Ich suchte Essen aus den Mauerresten
Gekrümmete Öfen sind kein Mittagsbrot.
Doch ist nicht Zeit zu solchen Freudenfesten,
Am Tisch der Armen sitzt hinfort die Not.
Mein Kind ist tot. es fiel bei Parigny,
Doch auch bei euch sind alle Söhne hin.
Drum kurz und gut, man lebt jetzt wie das Vieh
Und grübelt nicht, ob’s Zweck hat oder Sinn.
2
Dort tobt die Schlacht,
Hier wirkt ihr Geist!
Und ist’s vollbracht —
Welch Elend kreist!
Solch Okular
Ist eine Welt,
Wo manches Haar,
Das niederfällt
Und Gott der Herr
Nicht mitgezählt,
Vergrößert, schwer
Uns niederquält.