10 Nach der Marcussdien Theorie erklärt sich das Sehen mit beiden Augen natürlich. Die sichtbare Welt wirkt auf jedes Auge besonders ein: bei Verschiebung des Auges entstehen ja zwei Bilder. Es gibt also zwei lichterzeugende Organe im Gehirn. Wir lernen die Augen so einstellen, dass die beiden getrennten Bilder einander decken. Die Absicht, nur ein Bild zu sehen, leitet die Muskulatur des Auges. Der Verlegungs theoretiker erklärt die Doppelheit der Augen aus der Notwendigkeit besserer „Ver legung“. Als ob der Einäugige schlechter empfände und wahrnähme; das tut er nicht; sogar schliesst man, um besser zu zielen, das eine Auge. Der Einäugige orientiert sich nur schlechter; so kann ich Gefastetes mit fünf Fingern besser beurteilen, aber nicht besser empfinden, als mit zweien. Ein Netzhautbild würde (wie in Folge der Wirkung einer gewölbten Linse) die Richtungen umkehren, das Oben zum Unten machen. Die Verlegsforscher zerbrechen sich denn auch die Köpfe darüber, wie es zugehe, dass man trotzdem aufrecht sehe. Sie stolpern hier über ein Hindernis, das sie sich selber in den Weg legen. Wenn ich mit dem Kopf nach unten zwischen meinen Beinen hindurchsehe, sehe ich keineswegs den Himmel unten, die Erde oben: diese Richtungen gehören gar nicht der Sichtbarkeit, sondern dem Schweregefühl an. Die Blickridifung wäre nicht fähig, ein etwaiges Netzhautbild in der Richtung umzukehren; sie würde nur auf einen einzigen Punkt, nicht auf ein vielfaches Zugleich zielen können. Die Marcussche Theorie jkennf gar kein Nefzhaufbild. Gemäss der Wirkung aufs Gehirn erfolgt mechanisch dessen Rückwirkung nach aussen. Und nicht erst aus Muskelgefühlen im Auge schliessen wir auf die Tiefe, in welche ein Nefzhaufbild zu „verlegen“ wäre, sondern umgekehrt; erst an der deutlichen Schärfe der Wahrnehmung erkennen wir, dass die Muskelanstrengung zulangt; ein besonderer Verlegungsakf ist hierbei, da die Wahrnehmung ja längst vorhanden ist, überflüssig. Wir haben eine unmittelbare Empfindung der optischen Tiefe des Wahrgenommenen selber, bedürfen also keiner Schlüsse von der (unbewussten!) Arbeit der Augenmuskeln auf die Tiefe. Ohne optische Erfahrung, welche vorhergeht, ist keine perspektivische Wahrnehmung möglich; weswegen operierte Blindgeborene das perspektivische Sehen nicht leicht er lernen. Ihnen misslingt nicht etwa die „Verlegung“, sondern ihr zuleifendes Auge empfängt noch schlecht, sie sehen daher verschwommen, aber immer doch unmittelbar ausserleiblidi. Audi nach erfolgter Heilung beurteilen sie, mangels genügender Er fahrung, das Wahrgenommene noch nicht richtig; sie verfehlen die richtige Entfernung. Bevor ich „verlege“, muss ich schon erfahren haben. Kurzum, die Vergleichung der Marcussdien mit der Verlegungstheorie ergibt mindestens die grössere Natürlichkeit und Naturgefetjlichkeit der Marcussdien. Marcus, der Newton der Erfindung, darf in seiner Folgerichtigkeit so weit gehen, die ätherischen Ausstrahlungen des Gehirns für fixierbar zu halten: wenn man nämlich eine für sie empfängliche Platte erhielte; diese, in einer hinter einem Spiegel befindlichen Dunkelkammer angebracht, würde die ätherischen Ausströmungen aufnehmen und bewahren. Aber Marcus löst das Problem dieser Ausstrahlung nicht schattenhaft allgemein (oder gar spiritistisch und mystisch), sondern, als Erster, in streng wissenschafflicher, naturgesetzlicher Beweismethode. Marcus beweist mathematisch-physikalisch, dass es sich um eine materielle Rückwirkung des Gehirns auf erfolgte materielle Einwirkung handelt. Er erklärt, weswegen wir das Eine in weiterer Entfernung vom Auge empfinden als das Andere, die Möglichkeit dieser gesetzlichen, mathematisch ver hältnismässigen Unterscheidung. Die Nähe scheint stärker auf das Gehirn einzuwirken als die Ferne — folglich müsste dementsprechend auch die Rückwirkung des Gehirns energischer sein und den nahen Körper in die Ferne versetzen. Diese Annahme ist so scheinbar wie falsch. Denke ich mir mein Auge als die Spitze eines nach aussen