24 Franzosendämmerung D er Krieg zerriss brutal die Fäden reger geistiger Beziehungen, die die europäischen Völker vordem untereinander verbanden, überrascht und erstaunt erkannte der deutsche „Geistige", dessen Meinung sich von der allgemeinen Uniformierung befreien konnte, auch bei den Kultur- und Bildungsgrössen der Feindländer die plötzliche Un versöhnlichkeit, die ihm die Schwertpolitiker seines Landes eingebracht hatten. Trotz der Kriegswut 1914 und des eingeimpffen „Gott strafe England" kämpfte ja Deutschland gegen keinen seiner Feinde mit echtem Hass. Selbst der verlorene Krieg und der Vertrag von Versailles konnten bei uns nicht den Hass erwecken, der unsere Nachbarn jenseits des Rheins von jeher beseelte und auch die Sieger heute noch erfüllt. Die warmen Sympathien besonders, die die deutsche Kunsfgemeinde für die französische Kunst hegte, wurden kaum jemals vermindert. Ein einseitig interessierter Kunsthandel und eine mit ihm laufende Literatur und Presse hatten in Deutschland eine große Begeisterung für den französischen Impressionismus entzündet, die immer neu geschürt nicht ein zudämmen war. Von nationalistischer Seite wetterte zwar bei Kriegsbeginn eine Reaktion in übertriebenem Masse gegen die französischen Einflüsse. Sie wurde bald abgewiesen. — Karl Schefflers Worte, die auch Otto Graufoff seinem jüngst erschienenen Buche über die französische Malerei seif 1914 voransefzf, brauche ich hier nicht zu wiederholen. Sie sind vorbehaltlos zu unterschreiben. — Schon lange vor Kriegsende scharwenzle der Berliner Kunsfhandel wieder vor seinen Lieblingen und veranstaltete Aus stellungen französischer Maler — in der Schweiz, übertrieben wie die Hetze blinder Patrioten war die Liebäugelei andererseits, die den Deutschen ehedem in unwürdige Abhängigkeit gebracht hatte. Zweifellos war der Impressionismus und seine Nachzeif eine bedeutende Angelegenheit Frankreichs. Zur Blütezeit impressionistischer Malerei war der französische Einfluss in allen Ländern erkennbar. Nur fühlte man bei uns nicht, dass diese Kunst des nur sinnlichen Eindrucks dem deutschen Wesen fremd war. So verschrieben sich vor allem die nicht selbst schöpferischen Kreise in Deutschland ein für allemal der Franzosenmalerei, sodass sie auch heute, nachdem sich die Lage der modernen Malerei völlig verschoben hat, wieder alles Heil aus Paris kommen sehen. Künstler, Kunstwissenschaftler und -referenfen pilgerfen auch lange nach der im pressionistischen Epoche noch begeistert nach Paris und nahmen alle Regungen der französischen Kunsfseele als Offenbarungen auf. Da zumal die Nichfkünsfler meist nur das begreifen und aufnehmen können, was sie gelernt haben — schulmässig oder aus Erfahrung, so bildete das Pariser Studium die dauernde Grundlage ihrer gesamten Kunstanschauung. Die meisten der heute einflussreichen Kunsfschriffsfeller und sonstigen Kunsfmenschen in Deutschland stützen ihre Meinung auf diese Kunst bildung. So kommt es, dass sie gemeingültig als Kunst erkennen, was off nur eine Angelegenheit des leichten Handgelenks und der alten Geschmackskulfur des Franzosen ist. Zu dieser beschränkten Einstellung kommt die dem Deutschen eigene übermässige Vorliebe für alles Ausländertum überhaupt hinzu. Heute, nachdem kaum die lange unterbrochenen Beziehungen zu den ehemals feindlichen Ländern wieder aufgenommen worden sind, hasten nun Kunsthändler und -Schriftsteller wieder in lächerlichem Wett streit um jede Gelegenheit ihre Ausstellungen und Kunstblätter mit ausländischer Kunst zu füllen. Man überbiefef sich in Lobhudeleien, und wieder ist es Paris, das über alles gestellt wird. Vom Kunsthandel geht die Parole aus und die Andern schreien sie nach. Natürlich lässt sich der Kunsfhandel nur vom Geschäftsinteresse leiten. Er hat sich fesfgerannf, und gefüllte Lager zwingen ihn die Konjunktur hochzuhalfen. Wir erleben das beschämende Schauspiel, dass man lieber