28 der französischen Seele. Man will auch in Frankreich nichts davon wissen. Es ist i'arf boche und wird nur in Deutschland aufgenommen. Niemals ist der Franzose vom «' • % « 0 » •' ' y . 4 v # S.1. 1 r | . • Sinneseindruck der äusseren Erscheinung losgekommen. Wo sind in Frankreich die absoluten Gestaltungen einer eigenen vom Äusseren unabhängigen Wirksamkeit? Erstaunt sehen wir in dem erwähnten Buch Graufoff's das, was als französische 0 ^ Malerei seit 1914 wiedergegeben wird. Es sind die Werke einer längst anerkannten Epoche, die uns nichts Neues sagen können. Andere Veröffentlichungen bestätigen diesen Eindruck (so Paul Wesfheim’s „Kunstblatt", April 1921). Verständnislos steht der Franzose heute dem Werden der jüngsten bildenden Kunst in den ihm östlich benachbarten Ländern gegenüber. Ihn, wie den Italiener, belastet schwer die Tradition. Nach einem miss glückten Befreiungsversuch kapituliert er jetzt vor dein Klassizismus. Auch Picasso, der vor Jahren mit Ingres begann, kehrt in seniler Schwäche gelegentlich zu ihm zurück. — In England ist völliger Stillstand. Vielleicht wittert der Engländer in der schnellen Entwicklung der modernen Kunst eine ungesunde Spekulation und zieht als # .di V Jm *• ^ vorsichtiger Kaufmann das sichere Geschäft vor, eine anerkannte Vergangenheit aus zuwerten. Russland und die anderen slavischen Länder gaben für die moderne Kunst die . • * i . lebendigsten Kräfte her. Zumal Russland, von der jahrhunderte langen Behinderung befreit, konnte zu reicher Entfaltung seiner Fähigkeiten gelangen, überall in Europa tauchten junge russische Künstler als die fortschrittlichsten und bedeutendsten Talente auf; so neben anderen Chagall und Archipenko in Paris, Kandinski in Deutschland. Kandinski zog den gewaltigen Trennungsstrich, der ihn ausserhalb aller überlieferten Kunstanschauung stellte. Er löste sich zuerst am konsequentesten vom Gegenständ lichen und trat in das weife Gebiet der rein abstrakten Malerei. Heute marschiert Russland vorweg. In grosser Regsamkeit verfolgt der russische Geist jede neue Idee und Gesfalfungsmöglichkeif. Suchen und Experimentieren führen ihn zu immer neuen bemerkenswerten Ergebnissen. — In Deutschland und den nordischen Ländern fiel die neue geistige Phase der bildenden Kunst auf den fruchtbarsten Boden. Die Befreiung der Malerei von der Tyrannei der sinnlichen Erscheinung kam der tiefgrüblerischen deutschen Eigenart entgegen. Kandinski's Tat erschloj3 ihr ungeahnte Möglichkeiten zur [schöpferischen Betätigung. Die wohl impressionistischen, aber doch schon von inneren Gesichten erfüllten Malereien des Norwegers Munch hatten vor bald 30 Jahren schon in Deutschland eine seltsame Erregung hervorgerufen. Aber das ganze Aufgebot der damals schon auf Frankreich eingestellten Kunstliteraten und Kunsthändler korrigierte diese Regungen. Der deutsche Künstler orientierte sich nach dem Westen und holte umständlich die impressionistische Epoche nach. Aber leise klang das Erlebnis Munch in der deutschen Seele nach. Schon vor dem Kriege wurde der französische Vorsprung eingeholf. Aber erst dip tatsächliche vollkommene Ab- gesdilossenheif während des Krieges zwang den deutschen Künstler aus eigener Quelle zu schöpfen. So fand er sich zu seiner eigenen Art zurück. Losgelöst von der französischen Vormundschaft konnte er jetzt unbehindert zur vollen Entfaltung seiner schöpferischen Kräfte gelangen. In unaufhaltsamer Entwicklung vorwärfsschreifend machte er die neue abstrakte Kunst zu seiner ausschliesslichen Angelegenheit und liess den Franzosen weit hinter sich zurück. Von allen Völkern sind es nur die öst lichen, von denen Deutschland gegenwärtig noch eine Bereicherung erwarten kann. Nicht nur die Malerei, auch Plastik und Architektur wurden in Deutschland in neue Bahnen gelenkt. Auch darin versagte Frankreich. — Graufoff stellt höhnisch das nebelige Deutschland in Gegensatz zum sonnigen Frankreich. Sonne und Nebel sind wohl keine Gradmesser für Kunst. Die Mentalität eines Landes ist aber von eben solcher Bedeutung für seine Gesamfkunsf, wie für das einzelne Kunstwerk der Charakter