830 Carf Sternßeim • Napofeon Der Ruf des Hauses hatte sich verbreitet. Einer rühmte es dem andern und brachte ihn zu einem Versuch mit. Schließlich reichte der Raum nicht, die Gäste zu fassen. Einen freiwerdenden Stuhl besetzte sofort ein anderer Hungriger. Große Tagesumsätze wurden erzielt und immer bedeutendere. Verglich aber zum Jahresabschluß der Wirt Einnahme und Ausgabe, kam kaum ein Guthaben zu seinem Gunsten heraus. Anfangs, bevor er das Ziel seines großen Rufs erreicht, ließ er es gehen,- als aber dieser über ganz Paris feststand, begann die schlechte Abrechnung ihn zu wurmen. Er war nun dreißig Jahr alt, hatte große Pläne, und schien Reichtum auch nicht seine letzte Absicht, mußte er doch mit dem übrigen kommen. Nochmals nahm er die Bücher gründlich vor und stellte fest, der geforderte Preis war in Anbetracht der hervorragenden Beschaffenheit und Menge der ge reichten Speisen zu niedrig. Da ihm aber einleuchtete, der Konkurrenz wegen könne er einen Preisaufschlag nicht eintreten lassen, stand er vor der Entscheidung, alles beim alten zu lassen oder die Quali* tät des Gebotenen zu verschlechtern. Treu seinen bisherigen Grunde Sätzen entschloß er sich zu ersterem, stand aber den Essenden jetzt nicht mehr mit alter Unbefangenheit gegenüber. Bei jedem Filet, das der Kellner mit schönem Schwung zum Gast niedersetzte, stellte er den Vergleich zwischen Ware und erzieltem Preis an und kam bald dazu, daß ihn eine Platte, je besser sie gelungen und je reichlicher sie serviert wurde umsomehr in qualvolle Erregung versetzte. Be*» sonders konnte er den Blick von einem Gast nicht wenden, der mit dem Gebotenen anfangs nicht zufrieden, die Bedienung und die Küchenbrigade durch anfeuernde Reden zur höchsten Leistung für ihn angespornt hatte und nun wahre Fleischtrümmer vorgesetzt bekam, die er mit Mengen alles Erreichbaren würzte. Dazu warf er Napoleon triumphierende und anerkennende Blicke zu, die diesen anfangs er* erbitterten, schließlich zu heller Empörung brachten. Der Vielfraß war ein Kanzleibeamter, von dem nie ein besonderes Verdienst ver* lautet hatte, und der Herr des Gasthauses fragte sich ergrimmt, mit welchem Recht, für welches bedeutende Vorhaben der Betreffende eigentlich solche Anforderungen für seinen Magen stellte. Man wisse schließlich zu welchem Ende, schlänge ein Thiers, ein Balzac solche Mengen in seine Därme. Dieser Durchschnittsbürger aber schweife