902 Rene Sdöicßefe • Ai'sse' einmal das Hemd an meinem Leib. Es ist fürchterlich, arm zu sein. Und daran bin ich schuld, ich allein. Aber ich liebe ihn, doch, ich liebe ihn, liebe ihn, liebe ihn! ... Was soll ich tun? Für sie bin und bleibe ich die Sklavin des Herrn von Ferriol. Sie wollen es nicht anders. Es darf nicht anders sein.« Sie warf den Kopf auf den Arm und stöhnte auf. Der Priester im Beichtstuhl hatte die Augen geschlossen und schwieg. Er kannte jede Falte in Ai'sses Herzen und wußte, daß sie ohne eine Schatten von Hochmut, gut und geduldig war, und wie still sie selbst Be^ leidigungen hinnahm. Daran konnte er die Größe ihres Schmerzes ermessen, wie sie, die er immer gefaßt gesehen hatte, nun ver* zweifelnd vor ihm lag. Es gab nur ein Mittel, ihr zu helfen. Er sagte es ihr. Christus kannte keine Sklaven, alle Menschen waren gleich vor ihm. »Ist das ganz sicher?« schluchzte Ai'sse. Nichts konnte gewisser sein. War nicht Christus selbst ein Sklave? Waren nicht fast alle seine ersten Anhänger, Apostel und Märtyrer, Sklaven? Arme, verachtete Sklaven? Hatte er nicht selbst gesagt: »Es geht leichter ein Kamel durch ein Nadelöhr, als ein Reicher in den Himmel?« Sie war Christin. Alle Christen waren Brüder und Schwestern. Der König und seine Leibeigenen waren Brüder. Wehe dem König, der es vergaß. »Die letzten werden die ersten sein.« Am jüngsten Gericht werden beim Ruf der Posaunen die miß^ brauchten Throne zusammenbrechen und die Unwürdigen unter sich begraben, indeß die Armen und Gerechten an Gottes Seite treten. Sie war keine Sklavin. Sie durfte nicht glauben, daß sie eine Sklavin sei, das war Sünde an Gottes Kreatur . . . Sie liebte vielleicht zu maßlos, mehr, als man Menschen lieben sollte. Er, der Priester, konnte es nicht billigen. Es sei einer der schlimmsten Fallstricke. Ai'sse schüttelte heftig den Kopf. Doch, das durfte sie nicht vergessen. Aber er hoffte, für Menschen wie sie habe Christus das Wort gesprochen: »Ihnen wird verziehen werden, weil sie viel geliebt haben.« »Da bin ich so sicher,« sagte Ai'sse leise. »Ich habe Christus nie vergessen. Ich kann nur seine unendliche Liebe besser begreifen, seitdem ich liebe, ich fühle ihn näher, ihn leibhaftig, mit seinen blu^