Rene Scßicfiefe ■ Ai'sse 903 tenden Liebeswunden und seinem grenzenlosen Liebesblick über Himmel und Erde. Wenn icb ihn mir früher vorstellte, war er immer fern. . . Ehrwürdiger Vater, ich weiß erst, daß er lebt, seitdem ich liebe.« Der Priester antwortete, fast ebenso leise: »Ja — ich glaube, daß ich Sie verstehe. Und ich will Ihnen bei* stehen mit meinem Gebet . . . Aisse, Sie sind keine Sklavin. Der Chevalier liebt nur Sie, er kann gewiß den Hof entbehren. Hei* raten Sie ihn und verlassen Sie mit ihm Paris. Sie dürfen nicht seine Geliebte sein.« Aisse dachte lange nach. »Unmöglich,« flüsterte sie endlich mit zitternder Stimme. »Denken Sie an den Prinzen von Conti, der seine Frau zuerst so liebte. . . Sie waren kein Jahr verheiratet, da betrog er sie und kam nicht einmal mehr nach Hause, um zu essen und zu schlafen. Alle sagen, daß sie einander hassen. Ich ertrüge es nicht. . . Wenn er sie entbehren sollte, zöge es ihn vielleicht doch wieder zu den Frauen seiner Gesellschaft.« Aisse fuhr in die Höhe und rief % trotzig: »Und dann, ich will nicht noch einmal gekauft werden, wie ich gekauft worden bin, nackt und bloß, ohne Eltern und Freunde! Er soll mich lieben, bis ich tot bin und dann eine Dame heiraten, mit der er seinen Eltern unter die Augen treten darf.« Nach einer Weile fügte sie hinzu: »Ehrwürdiger Vater, es dauert nicht mehr lange! bitte, haben Sie Nachsicht mit mir, verstoßen Sie mich nicht.« Sie starrte in das Dunkel des Beichtstuhls mit angstgroßen Augen, die ihr Urteil erwarteten. »Dann sagen Sie wenigstens und lassen Sie verbreiten, daß der Chevalier Ihnen seine Hand angeboten hat.« »Warum?« fragte Aisse. »Damit Ihre Liebe nicht erniedrigt wird.« Er bat Aisse, bald wiederzukommen und entließ sie ohne Abso* lution . . . ★ Am Abend dieses selben Tages gab der Regent seinen Freunden ein Fest. Da saß Aisse und war gezwungen, Frau von Berry, der Tochter des Regenten, die in fetter Röte neben ihr thronte, ihre Beobachtungen über das Hofleben mitzuteilen. Sie wandte das 59