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R. Hülsnbeck
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Ein im besten Falle wahnsinniger Mo
ment, durch das Auseinanderklaffen der Ku
lissen die Welt in ihrer trägen opossum
haften Breite zu sehen, Vulkane als Nüstern
einiger subtellürischer Raubtiere zu fühlen
— ei, ei, meine Liebe, ei, ei, mein lieber
Dr. Rubiner — Meer, Wind und Städte,
Städte, Weiber (Weiber, Weiber, Weiber —
so unkeusch wie möglich, so verlogen wie
möglich, so instinktiv hurenhaft wie mög
lich) Weiber und Karneval (für die Bla
sierten Xylophon, Bagno und Kesselpauke)
in ihrem Tanz, um sich zu begreifen. Aber
später sitzt Du Old Billy oder generöser
Don, aber später sitzt Du mit Deinen langen
Beinen auf der Terrasse des Cafe Imperial,
in dem der große Napoleon mit Herrn Pfem-
fert Karten spielte. Es ist Biaritz oder Ost
ende, es ist San Sebastian oder Hoboken,
nur Heringsdorf darf es nicht sein. Hand
schuhe aus einem für dich besonders ge
färbten Ziegenleder machen dich unannah-
bar — Seelisch unannahbar, intellektuell un-
annahbar, mon dieu moralisch unannahbar.
Schon erschöpfen sich die Philosophien in
den kleinen Vor- und Anworten. Du bist
unannahbar — Kitty schickt Dir täglich um
sonst drei Messenger Boys, der russischen
Fürstin tratst Du in die Weichen, rot
haarigen Weibern schlug man die Fresse
entzwei. Du besinnst dich ganz auf dich
selbst, du machst die Geschichte der Zeit
wie man ein Kind macht — du erlebst den
wahnsinnigen Moment (siehe oben!) —
deine Ruhe ist hyperenglich und jenseits
aller Bewunderung.
Wir besinnen uns, daß wir immer ganz
kalt waren, selbst an dem Tage, als wir
den Primäraffekt entdeckten. Ganz kalt,
Spieler und Gegenspieler, Eis und Gegeneis,
Antipoden aus eisigster Berechnung. Diese
Feststellung läuft einem den Magen ein,
peitscht die Dicken aus den Dichtersesseln,
dreht die Gotik zu unterst und oberst. Ohne
Prinzipien zu leben wird fast unmöglich sein
— wir Sklavenhalter haben unsere Sklaven.
Aber die Prinzipien der Sentimentalität —
ei, ei, Dr. Rubiner ei, ei, Herr Dr. Pan-
haas — nun entdeckten sie, daß die Logik
der eigenen Seele ein allzu kindliches Phan
tasma ist. Wer sich eine Religion macht,
wird der Bonze seines Katechismus, Exeget
seiner seelischen Exkremente. Wer seiner
Logik lebt, ist ein Lügner. Wir haben unsere
Kälte, wir haben unsere Elastizität. Ihr seid
entweder westlich oder östlich orientiert,
euch hat Amerika gefressen oder die Neger
von St. Domingo — unsere Gelassenheit
bleibt immerhin bewundernswert. Deine
Religion imponiert mir nicht, Jung. Ich
habe auf der Terrasse des Cafe Im
perial gesessen — Schuhe aus Paris,
Wäsche aus London, Geilheit aus Ber
lin. Ich bin eine internationale Nummer.
Da schreien die Pessimisten und Men
schenkenner: Er hat das Sakrament ver
höhnt, er hat unseren heiligsten Augenblick
verhöhnt (wenn die Kulissen auseinander
klaffen usw.), ihm ist die Seele Geschäft,
ihm sind die Weiber Geschäft, er hat seiner
Großmutter eine Stricknadel in den Nabel
gesteckt — dieser Hund, dieser Schuft,
dieser Sensationist und unpolitische Mensch.
Nun — in dem Augenblick gänzlicher Ver
lassenheit und glücklichen Blödsinns —
recke ich mich auf meinen Zehen: Aber
Geschäft ist Seele, und wenn du ein Weib
kaufst, so kommunizierst Du. Schließlich
wird alles davon abhängen wie beweglich
Du bist, ob Du mit deiner letzten Senti
mentalität soupieren gehen kannst. Alles
muß dich aber tiefer berühren, dich tumul-
tuarisch entzücken. Gedanken müßten Deine
Haut zerreißen können, deine Kinnbacken
zertrümmern können, dein Herz, wenn es
nötig wäre, zum Stillstand bringen können.
Da sitzen zum Beispiel 30 Nonnen um einen
Tisch im Esplanade und spielen Skat. Sie
sind im Hemd und freuen sich. Da ist ein
englisches Horn, welches Herr Johnson
bläst, ein Triangel, das von Weiß geschlagen
wird, und eine Guitarre, an der Herr Hal
lensieben herumreißt. Drei Weiber haben
sich absentiert. Whiski bleibt wichtiger als
Kartenspiel. Sehen sie — da liegen sie in
der Portierloge — kein Mensch hat ihnen