Konstruktivismus, zusammen mit technischen Konstruktionen, Fliegerphotos und ähnlichen Anregungen, die benützt wurden, um einen Ausdruck zu suchen, der technizistischen Empfindungen unseres Zeitalters entsprechen sollte. Gleichzeitig war die Mathematik auf einem Punkt angelangt, wo vieles un- anschaulich wurde; Grenzgebiete sind undeutlich, unerkennbar. Viele Folge- rungen können nicht mehr bewiesen werden. Das menschliche Denken ist nicht an einer Grenze angelangt; aber es bedarf einer Stütze im Visuellen. Diese Stütze findet sich oft in der Kunst, auch für mathematisches Denken. Weil er zu einer Einheit strebt, vermittelt der Künstler in seiner Vision eine Synthese, auch dann, wenn diese vorerst eine künstlerische Notwendigkeit und nicht unbedingt von mathematischer Richtigkeit ist. Auf diese Weise verschiebt sich auch hier eine Grenze, sie wird unscharf, wo man einst eine klare Trennlinie glaubte. Unsichtbares, abstraktes Denken wird konkret, anschaulich und damit auch empfindungsmäßig wahrnehmbar. Unbekannte Räume, fast unvorstellbare Azxiome bekommen Gestalt; man wandert durch Räume, die es vorher nicht gab, und erweitert durch diese Gewöhnung sein Empfinden für weitere Räume, die heute noch kaum vorstellbar, noch un- bekannt sind. Die mathematische Denkweise in der heutigen Kunst ist nicht die Mathematik selbst, ja sie bedient sich vielleicht kaum dessen, was man unter exakter Mathematik versteht. Sie ist vielmehr eine Gestaltung von Rhythmen und Beziehungen, von Gesetzen, die individuellen Ursprung haben, genau so, wie anderseits auch die Mathematik ihren Ursprung hat im individuellen Denken der bahnbrechenden Mathematiker. Wie die euklidsche Geometrie für den heutigen Wissenschafter nur noch bedingt Gültigkeit besitzt, so gilt sie auch für die Kunst nur noch beschränkt. Genau so, wie der Begriff der endlichen Unendlichkeit für mathematisches und physikalisches Denken lebensnot- wendiges Hilfsmittel ist, so ist er lebensnotwendiges Mittel künstlerischen Gestaltens. Und in diesem Sinne werden vermittels der Kunst heute neue Symbole geschaffen, die wohl ihren empfindungsmäßigen Grund schon in der Antike haben, aber die, wie kaum eine andere Ausdrucksmöglichkeit des Menschen, die Gefühlswelt unserer Zeit erfüllen können. Das Geheimnisvolle der mathematischen Problematik, das Unerklärbare des