Pietro Falca, genannt Pietro Longhi Wurde 1702 in Venedig geboren, wo er 1785 starb. Er bildete sich in Venedig bei Balestra und in Bologna bei Crespi aus, von welch letzterem er den Sinn für die intimen, reiz- vollen Interieurs übernahm. Unter dem Einfluß der Klärung, welche die Genremalerei des Crespi und des Todeschini in der Lombardei in den Werken eines Fra Galgario und eines Ceruti erfuhr, gewann Longhis Malerei an realistischer Substanz, und er begann mit wohlwollender Ironie Familien- und Gesellschafts-Szenen zu schildern, denen mehr noch als ein rein dokumentarisches Interesse eine wirkliche Einfühlung in jene Milieus zugrunde liegt. 787 DER HANDKUSS Leinwand 49X61 Bergamo, Accademia Carrara, Lochis, Nr. 223 Die kleine Szene, bei welcher Feinheit der Beobachtung und malerische Qualität auf gleicher Höhe stehen, ist nach einem vom Künstler gern verwendeten Kompositions-Schema geordnet. Die zeremonielle Haltung der Dame und die schüchterne Verbeugung des Knaben sind mit heiter-eindringlicher Ironie erfaßt und geben der ganzen häuslichen Szene etwas von der erstaunten Steifheit der Marionetten. Ausgestellt 1922 an der Ausstellung Italienischer Kunst des 16. und 17. Jahrhunderts im Palazzo Pitti in Florenz als Nr. 600 (349, 8. 118). 788 DIE LEKTÜRE Leinwand 50X 61 Mailand, Sammlung des Comm. Aldo Crespi In dieser sowohl wie in den anderen zwei kleinen Gemälden (siehe Nummern 789—90) ist die erzählende, Kostüme und Sitten schildernde Kunst Longhis malerisch auf einem besonders hohen Niveau. Das Auge des Malers verweilt ebenso gerne auf den ausdrucksarmen Gesichtern wie auf den Dingen im Raum — Bücher, Spiegel, Geschirr — und auf den leuchtenden oder verblaßten Farbtönen der Kleider und Tapeten. Mit welch innerer Distanz der Künstler letzt- lich diese etwas puppenhafte Welt der Damen, Zofen, Geistlichen und Kavaliere wiedergibt, erhellt aus den langsamen Gesten der Hände und aus der lauwarmen, wattierten Stille dieser vornehmen Interieurs, 789 DER BESUCH Leinwand 50 X 61 Mailand, Sammlung des Comm. Aldo Crespi Siehe vorangehende Nummer 290