Die beiden Tafeln des Diptychons sind in einen gravierten Silberrahmen aus romanischer Zeit
eingefaßt und durch eine gestochene Leiste, welche sie auch einrahmt, in je vier Felder ein-
geteilt. Vordere Tafel: Verkündigung und Heimsuchung, Geburt und Anbetung der Engel,
Taufe und Darstellung im Tempel. Hintere Tafel: Die Kreuzigung, die Frauen am Grabe,
Christus in der Vorhölle, Christus erscheint den Frauen.
Die Anbetung der Engel, die ein rein byzantinisches ikonographisches Motiv ist, einige weniger
bedeutende ikonographische Einzelheiten in den verschiedenen Darstellungen, der Rhythmus
der Komposition und die graphische Zeichnung lassen dieses Diptychon als rein byzantinisches
Werk erscheinen. Mit der raffinierten Leichtigkeit der Linien und der eleganten Sicherheit
der Umrisse gehört es in die reifste Zeit der zweiten Hochblüte der byzantinischen Kunst.
Salmi (282, 8. 278) bringt es in die Nähe der Kreuzigung des Cabinet des Mö6dailles in Paris,
der Himmelfahrt im Museum von Stuttgart und eines Diptychons des Viktoria und Albert
Museum in London. Schon in dem von Magistretti (193, Nr. 58) herausgegebenen Inventar des
Domes vom Jahre 1445 erwähnt.
Lombardisch, 10./11. Jahrhundert
77 ADLER
Kupfer vergoldet 57 X 72
Mailand, Basilica di S. Ambrogio
Adler aus vergoldetem Kupfer, getrieben und ziseliert, heute an der Stirnwand der Kanzel
von S. Ambrogio.
Als um das Jahr 1090 die Wölbung über dem dritten Joch der Basiliea einstürzte, wurde die
ursprüngliche Kanzel zerstört; Guglielmo da Pomo, zu Beginn des 13. Jahrhunderts Kirchen-
vorstand, ließ sie wieder aufbauen und teilweise das gerettete Material benutzen. Sehr wahr-
scheinlich wurde damals der Adler, der offenbar vor dem 11. Jahrhundert entstanden ist, als
Schmuck der neuen Kanzel eingefügt. Hatte er schon zu der vermutlich aus dem 6. oder 7.
Jahrhundert stammenden Originalkanzel gehört? Diente er als Stütze für ein Lesepult oder
war er Symbol des Evangelisten Johannes?
Ein seltenes Stück, sehr charakteristisch in der Form, sorgfältig ausgeführt. Selbst wenn er
schon zur ersten Kanzel gehört hätte — was aber nicht wahrscheinlich ist, da er nirgends
Spuren von Beschädigung zeigt —, so dürfte er an dieser doch erst zwischen 900 und 1000
angebracht worden sein, denn in dieser Zeit kam der Brauch auf, die edleren Metalle durch
Kupfer nachzuahmen und zu ersetzen, was den Vorteil hatte, daß man in Kupfer Rundarbeit
machen konnte und den Guß für Bronze sparte. Die Stellung der Flügel, die Länge und die
Biegung des Halses und die ganze Form widersprechen der allgemeinen Annahme, daß mit
dem Adler das Johannes-Symbol gemeint ist, machen vielmehr die Verwendung als Stütze
eines Lesepultes wahrscheinlich. Gerade in der mutmaßlichen Entstehungszeit war der Ge-
brauch von Lesepultstützen auf Altären recht verbreitet.
Byzantinisch, 11. Jahrhundert
78 DIE STAUROTHEK (RELIQUIENBEHÄLTER) VON BRESCIA
17,8X26 X 10
Brescia, Duomo Vecchio
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