grimage», welches sein Hauptwerk in der Ausstellung darstellte. Bald darnach verfiel er in großes Elend und lebte unbekannt und verlassen bis zu seinem Zusammentreffen mit dem Maler John Linnell (1818), der ihm einen großen Auftrag gab, und zwar eine Reihe von Stichen für das Buch Hiob sowie 100 Zeichnungen für das Buch Dante und andere Werke, und diese Arbeit brachte ihm bis zu seinem Tode einigermaßen behagliche Verhältnisse. Durch Linnell wurde er bei John Varley eingeführt, dem Künstler-Astrologen, für den er seine gut bekannten visionären Köpfe von verstorbenen historischen Persönlichkeiten ausführte. Auch lernte er durch Linnell den Bildhauer und Miniatur- maler Frederic Tathem kennen, der später sein Biograph wurde. In dieser letzten Zeit seines Lebens wurde er der Mittelpunkt einer Gruppe von jungen Verehrern, zu denen auch die Künstler George Richmond, Edward Calvert und Samuel Palmer zählten. «Meine Kunst», sagt Blake selbst, «ist visionär und phantasievoll », und mehrere Anekdoten aus seiner Kindheit sowie einige flüchtig hingeworfene kurze Erzählungen, die noch erhalten sind, beweisen, daß er von seiner frühesten Kindheit an stark zur Mystik neigte. Das Ende des achtzehnten Jahrhunderts war eine Zeit, da die Phantasie in der Kunst durch einen starren Klassizismus ersetzt wurde, und Blake hielt sich für auserkoren und prädestiniert für die Erneuerung der Geistesrichtung. Die Idee, die ihm beständig vorschwebte, war ein goldenes Zeitalter, in dem Kunst die Religion ersetzen und die Phantasie der einzige Gott sein sollte. Wenn bei Blake von Inspiration die Rede ist, muß ausdrücklich betont werden, daß er nicht für sich beanspruchte, in höherem Grade inspiriert zu sein als die andern Künstler. Seines Erachtens war das Genie eines jeden Zeit- alters in gleicher Weise inspiriert, und er deutete nur an, was er für den Ursprung, ob bewußt oder unbewußt, eines jeden Kunstwerks hielt. Er stellte die Werke der Propheten des Alten Testaments, der mystischen Philosophen Paracelsus und Böhme, der religiös Verzückten, wie der heiligen Theresia, auf dieselbe geistige Stufe wie jene von Dürer und Michelangelo, das heißt, er glaubte, daß die Quelle der Inspiration im Künstler liege und nicht von außen komme. Kunst ist für Blake die Umwertung der Natur und ihre Aufgabe, die Herrlichkeit der Natur darzustellen, wie sie der Phantasie des Dichters und nicht dem nüchternen Auge der Wissenschaft erscheint. Der festen Überzeugung, daß die Welt der Phantasie die allein wahre und lebenswichtige sei, fühlte er sich verpflichtet, sie mit der äußersten Genauigkeit wiederzugeben. Was er zu erreichen wünschte, war ein Realismus der Phantasie. Die Phantasie war für ihn von der Natur scharf durch Form und Umrisse unterschieden. Es ist die Form, die den idealen Charakter erhält, und nicht die Substanz. Deshalb ließ er nicht zu, daß die Weichheit und Vagheit der Naturbilder die Anschaulichkeit und Lebhaftigkeit seiner geistigen Schau vermindere. Dies war der Grund seiner großen Begeisterung für Dürer, Michelangelo und die anderen bedeutenden Künstler der Linear-Schule, deren Werke ihm hauptsächlich durch eine kleine Sammlung von Drucken bekannt waren (deren Sammlung er als Knabe begonnen hatte), sowie für die Meisterwerke der gotischen Skulptur (von denen er manche, wie wir schon hörten, früh kennengelernt hatte). In einer seiner Schriften berichtet er uns, daß er es als seine Lebensaufgabe betrachtete, die Kunst auf ihren Florentiner Ursprung zurückzuführen. Wie seine Florentiner Meister erachtete er den nackten menschlichen Körper als das geeignetste Mittel, die höchsten Gedanken und Ideen auszudrücken. Aber seine Art und Weise, ihn zu behandeln, war von der ihrigen grundverschieden. Er hatte wenig Interesse am Kernproblem jener Schule — nämlich: wie man den Schein der Festigkeit er- zielte. Er beschäftigte sich eher mit den Linien des Körpers vom Gesichtspunkt der Zeichnung und als einem Faktor in der Komposition. Seine Hauptbefriedigung bestand darin, ein Bild von strahlenden Gestalten in voller Bewegung darzustellen. Sein Lieblingsgrundsatz war: ungebrochene Linien, ungebrochene Massen, ungebrochene Farben. Einheitlichkeit der Farben sowie lang fortgeführte Linien sind charakteristische Merkmale von fast allen seinen besten Werken.