an 5 Die Katastrophe, die vor acht Jahren über Oesterreich hereinbrach und das Land seiner Unabhängigkeit be- raubte, haben wir Schweizer in jenen bewegten Tagen mit innerster Ergriffenheit miterlebt. Wir litten mit dem österreichischen Volk, waren ob seinem tragischen Ge- schick zutiefst erschüttert und bäumten uns auf ob der Gewalt, die ihre Krallen nach ihm ausstreckte. Aber wir wußten auch, daß Oesterreich wieder auferstehen würde. Denn ein Land, das im Leben der europäischen Völker- familie immer wieder aufs neue eine bedeutungsvolle geschichtliche, politische, geistige und kulturelle Sen- dung zu erfüllen hat und in dem eine große Tradition weiterlebt, kann nicht untergehen und wird nie auf die Dauer der Hörigkeit eines augenblicklich Stärkern ver- fallen. Oesterreich ist wieder auferstanden. Und wenn auch bis heute der Engel der Freiheit den Stein, der das Grab seiner Unabhängigkeit deckte, noch nicht ganz weg- zuwälzen vermochte, so regt sich doch mit ungebändigter, unbeugsamer Kraft der alte Willen zu neuem Leben und zu neuer Freiheit. Oesterreich, acht schmerzliche Jahre lang zum Schweigen verurteilt und vergewaltigt, will seine Stimme wieder erheben und meldet sich wieder zum Wort. Daß es mit den Meisterwerken seines schöpferi- schen Geistes und der Lust an altem europäischem Ge- meinschaftsgut, mit dem, was Wien immer zu einem bleibenden Zentrum abendländischer Kultur und zu einer Brücke zwischen Westen und Osten voraus- bestimmte, gerade zu uns in die Schweiz kommt, erfüllt uns mit besonderer Freude. Denn was uns einst ver- schiedene Wege gehen ließ, liegt um viele Jahrhunderte zurück, und seither hat sich zwischen unsern beiden