«Der echte gesetzgebende Künstler strebt nach Kunstwahrheit, der gesetzlose, der einem blinden Trieb folgt, nach Naturwirklich- keit; durch jenen wird die Kunst zum höchsten Gipfel, durch diesen auf ihre niedrigste Stufe gebracht.» Goethe, aus der Einleitung in die «Propyläen>» Für eine biographische Darstellung habe ich wenig Inter- esse — ich möchte lieber einige innere Zusammenhänge schil- Jern, trotzdem ich weiß, daß es ein Gestammel sein wird. Der Ausgang eines jungen Menschen ist meistens naiv, voll Kraft und Innigkeit — wie die Landschaft, in der er auf- gewachsen ist. Ist seine Kraft groß genug, wird er den Drang in sich haben, hinaus aus dieser Landschaft zu wollen — ein Provinzler mit Sehnsucht nach einem Weltreich. Ungefähr so wie der Dichter aus dem Dialekt der Weltsprache entgegen- strebt. Mehr als mir bewußt war, bin ich der Landschaft meiner Jugend verhaftet — WVUetliberg, Allmend und Sihl. Starke Erbmasse unverlierbaren Volkstums brachte ich mit. Draußen begannen dann die Erfahrungen. Der Jüngling ergibt sich den Tumulten des Lebens. Bis aus tiefer innerer Not sich Stimmen erheben, das Gewissen sich regt, die Begabung nach außen drängt. Das Pfund will genutzt werden. —— Es reißt ihn hin und her, bringt ihn ein Stück weiter, um mit neuem Rück- fall zu drohen. Und bis zur endlichen Heimkehr wird er zurück nach seinem Ursprung streben. Der Weg zwischen Ausgang und Heimkehr ist ein ununterbrochenes Schaffen an den Mit- teln, die ihm sein Leben immer wieder bejahen. Er sucht nach dem Sinn des Lebens wie ein Kind, das seine Sandburgen baut und seine Spiele spielt. Die Innigkeit und Kraft, die der Jüng- ling mitbrachte, von denen er erfüllt war, beginnt sich zu wan- deln — Verstand und Lebensklugheit wachsen in dem Maße, als das Paradies der ersten Naivität verloren geht. Wohin mich die Unruhe trieb, überall gestalteten sich die reichen Eindrücke zu Kompositionen. In München war es die G 7