Pathos und Tragik überladenen Massen sich zu klären, die Formen sich zu strecken beginnen. Schon in die letzte römische Zeit, vor allem in die sonst stark Iyrisch bestimmte Zürcher Episode spielt mit mancherlei Ergebnissen das An- halten von Lavater um Zeichnungen für die „Physiognomik” herein.‘ London ist nach dem hellen Mittelmeer wieder der neblige Norden, mit Zauberdünsten und allerlei Bedrängung. Fühli nimmt, nach früherem Bemühen schon in Rom, Shake- speare wieder auf für eine Folge von Gemälden und für Zeichnungen zur Buchausgabe, und Milton, mit der Empörung von Satan, dem Walten von Sünde und Tod, mit kämpfenden Erzengeln und der verlorenen Seligkeit des ersten Menschen- paares; Homeros’ Helden auferstehen wieder und die wilden Nibelungen. Dem Greis werden Hand und Geist immer leich- ter und freier, Die Kompositionen und. Figuren des Achtzig- jährigen stehen jenseit aller Beschwerung durch Können und Wissen, in absoluter, einfachster Menschlichkeit. Was die größte Leinwand und die kleinste Skizze von Füßsli durchdringt und bindet, ist die „durchgehende Form”, die unmittelbare, wie selbsiversiängliche Prägung aus starker Vor- stellung. Auch Füßli ist „inwendig voller Figur”. Er zeichnet einen männlichen Akt mit weit gespreizten Schenkeln und jenem Muskelspiel, das er so gern aufwühlt, um es zu einem plastischen Kosmos zu übersteigern und zu ordnen, und später wird daraus Tell in der Hohlen Gasse in Landsknechtstracht, mit Armbrust und Barett. So ist wohl der Weg; nicht um- gekehrt; zuerst die Entzündung am Spiel der Form, dann ihre Einkleidung für einen außerkünstlerischen Zweck, der dem Künstler in seiner Art auch wichtig ist. Noch einmal darf man Schiller nennen, neben dem Füßhli vielleicht besser zu nennen ist als, wie es sonst geschieht, neben Goethe, mit 36