ben und Tönen, Flächen und Räumen verklärt und in sich schließt. Die Heimat von Vivin ist die Heimat der „imagerie d’Epinal“, deren volkstümliche farbige Holzechnitte seit dem Ende des 18. Jahrhunderts als Heiligenbildchen der neuen Zeit in die Welt flatterten. In seiner Malerei scheint Wesentliches davon aufzuleben. Sie beginnt mit Land- schaften in stumpfem grün, bräunlich und grau, und gern verwendeter schulgemäßer Linearperspektive, bald aber schwimmen die Bilder in Blau und Silber und werden immer mehr Erzählung. Handlung wird geschildert, nicht ein Aspekt: das geschieht und gibt es an dem Ort; eher als: so hat es ausgesehen. Die Formen sind vereinfacht und in Zeichen umgeprägt, die einzeln wenig, aber gruppiert als Bilderschrift recht vielerlei zu sagen ver- mögen. Gelegentlich nimmt auch Vivin das Wort zu Hülfe und schreibt zum Beispiel zum Bilde „L’attente“: „La petite maitresse est partie conduire ses quatre chiens par un temps neigeux et glacial. Ils traversent un cours d’eau pris par une glace l&gere, la glace se rompt et la petite maitresse est precipitee dans leau, les pauvres chiens regardent avec anxiet& l’endroit oü elle est disparue et se demandent si elle va bientöt revenir.“ Schon hier besteht die Landschaft hinter dem hell- blauen, eisigen Wasserloch, um das die Hunde ratlos stehen, nur aus Requisiten, die miterzählen von dem kalten Wintertag, ja mitbestürzt sind über das Verschwin- den der kleinen Herrin. Zeichen sind auch in den Stadt- bildern die Menschlein, Wagen, Schiffe, für das bewegte Leben, die hellen Quadermauern und hohen Fenster für die Pracht der Kirchen und Paläste; ein Bericht, nicht mehr ein Abbild, die späte Notre Dame über der Seine, von der Vivin nicht nur zeigt, wie sie seitlich sich lagert, sondern auch noch mitteilt, dass sie ausser der breiten Flanke die ebenfalls mehrmals von ihm verherrlichte 19