Wissen, und daß sie das Kunstwerk nicht als Trabant von Zeit und Raum hinstellt, sondern als Teil von deren auch in ihm Gestalt gewordenem Gehalt. Die Einwirkungen von Raum und Zeit laufen selten gleich, öfter als daß sie sich decken und gemeinsam verstärken, kreuzen und verzähnen sie sich. Die Ortlichkeit ist der Boden, aus dem die ange- stammten Kräfte treiben, stets wieder sich erneuernd und zugleich sich bestätigend. Darüberhin stürzt sich, wie Wind und Wetter, mitformend und befruchtend, gelegentlich auch hemmend, die Zeit. Die dritte Kraft, die mitbestimmt, ist die künstlerische Persönlichkeit. Ihre Bedeutung für das in unserer Ausstellung zu Worte kommende Jahrhundert wird nach Schulbegriffen stark eingeschränkt; zu strenge Herrschaft der kirchlich-dogmatischen Tradition, aus- gedehnter Werkstattbetrieb mit Arbeitsteilung, untergeordnete gesellschaftliche Stellung des Künstlers und Übermacht des geld- kräftigen Auftraggebers gelten als Hindernisse. Die Theorie stößt sich aber an Beispielen wie Konrad Witz und zahlreicher anderer Meister, die mit und ohne Namen fast Jahr für Jahr fertig und klar aus neu gefundenen oder neu gesehenen Werken vor uns treten. Verfeinerung der Organe im Lauf der Zeit, vielleicht auch nur Verlegung der Aufmerksamkeit, läßt uns mehr wahrnehmen oder das Wahrgenommene besser verstehen. Der Entstehungsort mit seiner Tradition und Atmosphäre und den Möglichkeiten, die diese geben, die Beiträge, welche die Zeit als neuen Inhalt und neue Formen an Ort und Stelle schafft oder von produktiven Stellen auf weniger bewegte hinüberweht, und die persönliche Art und Fähigkeit des ausführenden Meisters er- geben für jede Gruppe und bis zum einzelnen Werk eine neue Mischung mit andern Abstufungen. Für die zeitliche Abwandlung mag ganz im großen und rohen gelten: daß aus Stein- und Wand- bild abgeleitete Formen in der ersten Hälfte des Jahrhunderts ersetzt werden durch eine Anschauung, die mehr von der Holz- skulptur bestimmt ist, mit ausgeprägtem räumlichem Empfinden, worauf nach der Jahrhundertmitte Malerei und Graphik vielfach sich durchdringen und nach 1500 mehr das ausgesprochen Male- rische mit den Wirkungen des Lichtes die Form bestimmt. Bei- spiele wie Ausnahmen bietet die Ausstellung ungefähr in gleicher