nale Leben. Dem Hang nach Freiheit und politischer Unabhängigkeit entspricht ein neues Suchen auf dem Gebiet der Wissenschaft und der Kunst. Von der Schäferdichtung, welche ihren besten Ausdruck in der Ausstattung der vene zianischen Bücher findet, gelangen wir zu den Lehrgedichten der «Curiosi della natura», löbliche Versuche zur Verbreitung der Wissenschaft, und zuletzt zum Theater Goldonis, als Dichtwerk und als Zeugnis seiner Zeit von höchster Bedeutung. Das XIX. Jahrhundert hebt sich, in verschiedenen Aspekten, klar von seinen Vorgängern ab: Rückkehr zum Kult der Klassiker mit Monumentalausgaben der grössten Dichter (Dante Nr. 167), Wiederaufleben der Kunstkritik (Bossi Nr. 166), Beginn des neuen Stiles mit Manzonis Promessi Sposi: alle zusam men Wahrzeichen einer wunderbaren nationalen Wiedergeburt, des «Risorgi mento». In dieser Bewegung vereinigen sich klassische Tradition und revolu tionäre Romantik, um dem neuen Staat Italien seine nationale und künstlerische Einheit zu verleihen. Der unmittelbare Eindruck, der aus dieser kurzen Betrachtung hervorgeht, ist fraglos der einer nieversagenden kuturellen Einheit, eines unbezwingbaren na tionalen Geistes, welcher auch unter den schwersten politischen Bedrückungen sich nie ganz auslöschen Hess. Und während wir unsere kleine Sammlung dem Schweizer Publikum vorlegen-des Erfolges noch ungewiss-gedenken wir des ähnlichen Schicksals, das die beiden Länder verbindet. Auch die schweizerische Literatur, trotz Verschiedenheit der Rassen und Sprachen, stellt von ihren er sten Anfängen an eine Einheit dar, die nie verschwindet, wenn sie sich auch nicht immer auf den ersten Blick zu erkennen gibt: Einheit des Geistes, die ihren Ursprung im Hang zur Freiheit und in politischen und religiösen Idealen fin det 35 ). Und da eine Affinität der völkischen Ereignisse sich auch in den Indi viduen wiederspiegelt, so wollen wir daran erinnern, dass unter allen euro päischen Druckern und Verlegern Johannes Froben unserm Aldus Manutius am nächsten steht. Schuf er doch in Basel den wichtigsten Brennpunkt helveti scher Kultur und, wie der grosse Venezianer, verstand er es, sich mit einer Schar hervorragender Humanisten-von Oekolampadius zu Erasmus-zu umge ben. Übrigens wurde den humanistischen Studien grosse Hilfe aus der Schweiz zu teil, als Poggio Fiorentino, in der Klosterbibliothek zu St. Gallen, die einzi gen vollständigen Manuskripte der Werke Quintilians, des grössten lateinischen Stilisten, eigenhändig, mit leidenschaftlicher Aufopferung abschrieb und die Kopie an Leonardo Bruni sandte. Juni 1928