10 Bei solchen einfach ceremonialen Darstellungen verblieb es aber nicht. Schon aus der ersten Hälfte des XYI. Jahrhunderts giebt es Scheiben mit ausführlichen Scenen biblischen und alle gorischen Inhaltes. Andere Vorstellungen kamen dazu : Schil derungen aus der Schweizergeschichte, aus dem Berufs- und Tagesleben, von festlichen Anlässen, wie sie in Trinkstuben und zünftigen Kreisen begangen wurden, Anspielungen auf die Reformation oder politische Zustände, die in der Regel an Deut lichkeit nichts zu wünschen übrig lassen. Man sieht, wie der Holzschnitt und Kupferstich, so war auch die Glasmalerei ein Feld geworden, auf dem sich die Phantasie der Künstler in allen nur denkbaren Stoffen erging. Aber auch die Technik hatte sich inzwischen zu der höchsten Stufe der Vollendung emporgeschwungen. Die Feinheit und Sicherheit des Schliffes, die Zartheit der Töne, besonders gebrochener Farben : des Weinroths, eines sammtenen Grüns, des duftigen, linden Blau, von Violett und Purpur, dann wieder die Raffinirt- heit im Aufträge der Schmelzfarben und ganz besonders die Kraft der Zeichnung und Modellirung, die so herzhaft, auch flüchtig zuweilen, und dennoch stets dem Wesen der Technik und dem gewünschten Effecte entsprechend ist, das sind Vor züge, die unsere höchste Bewunderung erregen, und welche zu erreichen die Kunst der modernen Glasmaler trotz allen Fort schritten der Technik auch nicht im Entferntesten befähigt ist. Weithin waren darum unsere schweizerischen Glasmaler berühmt und gesucht, selbst in Nürnberg, der alten Hauptstätte deutscher Kunst finden wir sie durch Aufträge beehrt und durch namhafte Werke vertreten : Christoph Murer durch eine Suite prächtiger Scheiben aus den Jahren 1597 und 1598, die für Nürnberg bestellt, heute eine Zierde des germanischen Museums bilden, und Jacob Sprüngli, gleichfalls ein Zürcher, der nach Entwürfen seines Landsmannes, des berühmten Holzschneiders Jobst Ammann im Jahre 1601 das Tucher’sche Fenster in der Sebalduskirche malte.