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stische Ideologie ist in die Defensive gedrängt, ihrer stärksten or
ganisatorischen Stützen beraubt. Nicht aber ist diese Ideologie
damit schon besiegt. Die Gesellschaft ist noch lange nicht revo
lutioniert, wenn ihr politischer und wirtschaftlicher Organismus in
die Hände der revolutionären Klasse übergegangen ist. Dann be
ginnt erst der Prozeß der sozialen Umwandlung. Er stellt die
alsdann herrschende Klasse vor unendlich schwierige Aufgaben
der Selbsterziehung sowie der Einwirkung auf die gleichgültigen
und noch zum Teil feindlichen Massen, vor Aufgaben, die sich
über Generationen erstrecken dürften, die aber trotzdem von der
Stunde des Siegs an sofort mit Energie und Zielklarheit begonnen
werden müssen.
Um dies zu können, muß sich der Kommunist bereits vor dem
Sieg mit diesen Problemen beschäftigen. Ein gefährlicher Aber
glaube, dem man nicht selten begegnet, ist es zu meinen, daß solche
zur Zeit noch theoretischen Erwägungen sinnlos und überflüssig
seien, denn zur rechten Zeit stehe der rechte Mann schon am
rechten Fleck —« dank der schöpferischen Kräfte der Revolution.
Das Gegenteil lehren die Erfahrungen, die wir aus russischen Ver
hältnissen während der Diktatur gewonnen haben: daß man im
Kampf nie und nirgends auf Wunder rechnen darf, daß Augen
blickserfolge durch die ungeheure konservative Stabilität des Ges-
sellschaftskörpers nur allzu leicht rückläufig werden, und daß Ge
walt daher nur dann fruchtbar sein kann, wenn sie sich paart mit
intensiver Kenntnis der Struktur und der Funktionen all der ver
schiedenartigen gesellschaftlichen Zellen, mit wahrhaft universeller
Einsicht in die realen Zustände und mit der produktiven Kraft,
diese bis in alle Einzelheiten im Sinne der kommunistischen Ent
wicklung zu beeinflussen.
Unter dieser Perspektive soll hier zunächst versucht werden,
die soziale Lage des Künstlers unmittelbar nach dem Sturz der
bourgeoisen Staatsmacht zu erörtern sowie die Aufgaben, die dann
der Künstler der Gesellschaft gegenüber hat und umgekehrt diese
bezw. die dann herrschende Klasse, dem Künstler gegenüber.
Nicht soll behandelt werden die Frage: Wie wohl das werktätige
Leben die Existenz des Künstlers in der erträumten klassenlosen
kommunistischen Gesellschaft der fernen Zukunft abrollen wird —
eine Frage, die recht müßig ist, und die, wenn überhaupt, nur
ganz subjektiv etwa in Form einer utopischen Erzählung beant
wortet werden könnte . . .
Rote Fahnen wehen auf Ministerien, Parlamenten und Fabri
ken, fieberhaft wird an der Schaffung einer roten Armee, an der
ökonomischen und politischen Neuorganisierung des in zerrütte-