Volltext: Gesellschaft, Künstler und Kommunismus

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Parteien geradezu krankhaft wuchernde Erscheinung. Hier soll 
nicht etwa verteidigt werden eine intuitive und mystische GefüMs- 
und Instinktpolitik. Im Gegenteil: Gerade die Verletzung aller 
propagandistischen Logik und sachlichen Psychologie durch 
unsere „geschulten Theoretiker“ von Kautsky bis Thalheimer wird 
angegriffen. Klugheit gebietet, mit Laien nicht gelehrt zu sprechen, 
erwachsene Menschen nicht wie Schulkinder zu unterrichten. Es 
geht nicht an, daß die Organe aller Unterdrückten und Ausgebeu 
teten mit Ausdrücken um sich werfen, von denen nur einige, kei 
neswegs gesammelte oder lang herausgesuchte, zufällig, wie sie 
kamen, hier zitiert seien: Avantgarde, Desorientation, Terminolo 
gie, Destruktion, Kriterien, Auguren, Antipoden, intransingent, tar- 
peische Felsen, dialektisch, modus vivendi, Observanz, Fazit usw. 
Ob zu Marxens Zeiten dieser Reichtum an „Bildung“ vonnöten 
war, um sich verständlich zu machen, bleibe dahingestellt, heute 
ist er jedenfalls ein Zeichen der Unfähigkeit oder Gedankenlosig 
keit. Wie sollte man es sich sonst erklären, daß z. B. ein Propa 
gandist der VKPD. auf die Frage, warum die Parteipresse nicht 
(nach amerikanischem und französischem Muster) regelmäßig Bil 
der und Zeichnungen in vernünftiger Größe an auffälliger Stelle 
veröffentliche — antwortet, der Platz fehle, auch seien die Partei 
organe keine Witzblätter. Vielleicht wäre das immer noch ange 
brachter, als daß sie zu Mitteilungsblättern für Studenten der Revo 
lution und Abladestätten für den Geist ihrer Theoretiker ausarten. 
Von diesen Dingen mußte hier gesprochen werden, weil das 
Verhältnis der Sowjet-Macht eines Landes zu ihrer Künstlerschaft 
im großen und ganzen resultieren dürfte aus den Beziehungen der 
führenden revolutionären Partei zum Künstler und seiner Arbeit 
bereits vor Eroberung der Macht. Die diesbezüglichen Maß 
nahmen eines jungen proletarischen Staates werden eine Erweite 
rung und Umstellung der bis dahin unternommenen Schritte 
zur propagandistischen Ausnutzung der vorhandenen künstleri 
schen Kräfte und zur Belebung des sozialen Rhythmus sein. 
Wer beurteilen kann, wie aussichtslos die Hoffnung auf eine 
fruchtbare Entwicklung der bestehenden jämmerlichen Beziehun 
gen zwischen revolutionären Politikern und kommunistischen 
Künstlern ist, der muß sich sagen, daß ein Wandel zum Besseren 
falls überhaupt, erst dann eintreten kann, wenn unter dem gewal 
tigen Anprall der sozialen Katastrophe die Künstler wie auch die 
Politiker aus ihren ideologischen Wolkenreichen auf die bewegten 
Wogen der Wirklichkeit fallen. Die sozialen Wehen der Gesell 
schaft werden dann auch der Kunst ihre Merkmale aufprägen; die 
Jugend, vor allem die proletarische, wird in die von Mißtrauen
	        
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