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anderen Tag schwinden; vielleicht aus dem Bewußtsein, nicht aber
aus der Wesensart. Man wird dem Künstler also den subjektiven
Glauben an seine Eigenmächtigkeit zunächst am besten belassen.
(Objektiv ist er ja heute ebenso abhängig, wenn nicht intensiver,
als unter der zukünftigen Diktatur des Proletariats.) Ein wichti
ges Mittel, diesen Glauben nicht zu zerstören, ist öffentliche An
erkennung, Kritik in der Presse, Veranstaltung von Preisaus
schreiben und Ausstellungen, Vorlesungen usw. Hinzuziehung
von Künstlern zu allerlei begrenzten Fragen, wo sie dann ruhig
tonangebend sein können und so ähnlich. Die Meinung, irgend
eine Rolle zu spielen, ist von großer Bedeutung für das Wohlgefühl
grade dieser Kreise und die ist bei einiger Geschicklichkeit un-
gemein leicht zu erzielen.
Damit ist zunächst nur soviel erreicht, daß die Künstler zur
Verfügung stehen, d. h. in ihren Augen, daß die Sowjet-Macht
ihnen zur Verfügung steht.
Der gute Wille, im Sinne des proletarischen Gedankens zu
produzieren, wird sich einstellen, sobald es sich zeigt, daß man
dann Aussichten hat auf Anerkennung von Seiten maßgeblicher
Instanzen, auf öffentliche Bekanntheit und dergleichen. So wird
die sattsam bekannte individualistische Eitelkeit des Künstlers und
der jedem Menschen natürliche Trieb, sein Tun bejaht zu fühlen,
befriedigt. Es empfiehlt sich also, so weit es ökonomisch angeht,
und natürlich nur in der Uebergangszeit wo dem Bestand der Pro
letariermacht noch Gefahren drohen, möglichst allen Richtungen
und Fakultäten vom Panoptikum-Modelleur bis zur Primadonna,
vom Blitzdichter bis zu Tagore öffentliche Betätigungsmöglich
keiten zu gewähren, selbst auf die Gefahr hin, daß nicht alles kon
trolliert werden kann und manches Wertlose oder Schädliche er
zeugt wird.
Bejahung erzeugt Bejahung. — Nach kurzer Zeit wird sich
die Kunst mit den gegebenen Verhältnissen abfinden, sich wie einst
tausendmal wichtiger und bedeutsamer fühlen, als sie ist und jeder
wird wieder seinem Trieb nach Anerkennung derjenigen Kreise, die
er hochschätzt, leben. Sollten einige wenige konsequente Anhän
ger des Kapitalismus konterrevolutionäre Propaganda treiben, so
wird die Diktatur schon Mittel finden, um sie zu nützlicherem Tun
zu bewegen. Das Wichtigste bleibt, daß man nicht durch Aner
kennung nur einer Gruppe die übrigen kaltstellt, sie so zusammen
schweißt und fast wider Willen zu Feinden macht, und außerdem
auf diese Weise im größten Teil der Bevölkerung zu allen ökonomi
schen, moralischen und politischen auch noch ästhetische Wider
sprüche hervorruft.