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ja auch ein schnelles Ende gefunden. Soweit in dieser Hilfswoche der bürger
lichen Ideenwelt angepaßte Mittel angewandt wurden, wie eine Geldlotterie zum
Beispiel, waren die Ergebnisse annehmbar, dagegen ergaben die Haussammlungen
bei den Bürgerlichen ein klägliches Bild. Wie aber ist die Hilfeleistung der Ar
beiter einzuschätzen, die vor Hunger entkräftet und enerviert durch die furchtbare
Last der Verantwortung dieser Revolutionsjahre beschlossen haben, bis zur kom
menden Ernte für die Hungernden freiwillig den Sonntag zu arbeiten, und die
bis zu 20 Prozent ihres Lohnes und ihrer Verpflegung, die an sich schon auf
das kärglichste bemessen ist, dem Hilfskomitee überweisen? Wie denkt ihr wohl
über diejenigen Arbeiter, die von ihrem Lohn in den Fabrikanlagen ein Kinder
heim errichten, um dort Kinder aus dem evakuierten Gebiet unter ihrer Aufsicht
und Liebe zu verpflegen? Wie denkt ihr wohl über jenes Bataillon Rotarmisten,
das in der Umgegend von Samara stationiert, im Laufe einer Woche durch frei
willige Mehrarbeit Baracken zur Aufnahme von mehr als zehntausend Flücht
lingen baute und das Holz stapelte, das diesen Unglücklichen Wärme spenden
soll? Und in ganz Rußland von Archangelsk bis Odessa arbeiten die Werktätigen
mit neuen gewaltigen Anstrengungen an der Aufgabe, die Wirtschaftsmaschine
Sowjetrußlands in Gang zu bringen, die Sabotage der aus parteilosen und bürger
lichen Elementen zusammengesetzten Verwaltungsbehörden — es ist ja im Grunde
genommen keine bewußte bösartige Sabotage, meist nur Schlaffheit und Absterben
der Lebensenergie, dazu die Tradition jahrhundertealter Korruption und Lotter
wirtschaft — zu brechen und in positive Mitarbeit umzuwandeln. Eine ganz fabel
hafte Leistung, die in der Geschichte der sozialen Umwälzungen ohne Beispiel
ist, vollzieht sich in SowjetrußlandL Die Solidarität zwischen Arbeiter und Bauern
wird geschmiedet. Die Arbeiter haben eine neue Mehrbelastung ihres Kampfes
aufgenommen, den Kampf um die praktische Erziehung der Bauernmassen durch
das heroische Beispiel. Arbeit der russischen Werktätigen hilft den Hungernden
an der Wolga. Die Arbeit derjenigen, die selbst hungern, denen aber der Ge
danke brüderlicher Solidarität der Werktätigen untereinander zum Ziel und leben
digen Inhalt geworden ist.
Seht auf Sowjetrußland.
Seht Rußland, wie es ist, mit den Augen des Proletariats und proletarischen Ver
ständnisses und mit Brüderlichkeit. Jeder Arbeiter muß heute die Aufgabe der pro
letarischen Revolution in Rußland und die Aufgaben der russischen für die Welt
revolution begriffen haben. Du siehst die russische Arbeiterschaft von neuem die
schwerste Aufgabe übernehmen, die Diktatur des Proletariats unter der Masse der
Indifferenten und Parteilosen, der Verdummten und Verbitterten, der Saboteure und
offener Konterrevolutionäre im Kampfe mit dem Hunger wirksam zu machen. Du
sollst dir vorstellen, daß auf Schritt und Tritt du auf Menschen stößt, die ge
zwungen und widerwillig den Wirtschaftsapparat, den Transport und die ganze
Staatsmaschine sozusagen in Gang halten. Leicht ist es, von der Korruption, die
unter den alten Bürokraten noch nicht ausgerottet ist, zu erzählen, von den tech
nischen Fehlern, die die neue, noch wenig geschulte Arbeiterverwaltung noch all
enthalben macht, das sind alles selbstverständliche Dinge, sie sagen nichts weiter
als die ungeheuren Schwierigkeiten, unter denen der russische Arbeiter kämpft
Viele auch von den westeuropäischen Arbeitern, die als Emigranten nach Ruß
land gekommen sind, haben das nicht verstanden, sie wollten nicht sehen, daß