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Einzig liegt der Wert darin, daß Liebe sich
hier nicht mit Willkür im Leben verschenkt und
ungepflegt sich dem Zufall banalen Erlebnisses
blindlings opfert — sondern ihr Wert erkannt,
ihre Heiligkeit empfunden, ihre Kraft bemessen
nach jenem Kosmos verlangt, den der Wille ihr
ordnend gestaltet. Denn diese Liebe ist nicht
banaler Wunsch nach Erfüllung, sie ist die große
schöpferische Sehnsucht nach dem Ewigen. Und
wenn in diesem Organismus, vom Willen ge*
schaffen, trotzdem die liebevolle Hand sich der
Einzelheiten annimmt und ihnen mehr als nur
ihren Platz im Ganzen: ein gewisses Anrecht
auf jegliche Existenz und deren Anerkennung
gibt, so können wir nicht genug bewundern, wie
maßvoll hier rhythmischer Takt verfährt, der es
verhindert, daß dies störend wirke. Sehr groß
erscheint mir sogar der Wille des Malers, auch
<ler Erscheinung ein Recht zu belassen und sich
erneute Aufgabe stellen, nun auch diese zu*
einander in jenes Maß von Abstufung zu bringen,
die das Kunstwerk verlangt. Denn wir dürfen
nicht vergessen, daß auch Paul Klee, wie fast
alle der heutigen Großen, Kräfte schöpfte aus
<lem Werke des toten Henri Rousseau und in ihm,
neben dem großen Meister, einen Vater — einen
Wegbereiter verehrt: den, der als erster wieder
mit Inbrunst malt und aus Liebe zu den Dingen!
Auch scheint es mir nicht am Platze, von einem
deutschen Maler mit Spott zu sagen, er male
Dinge »literarisch geäußert«. Jedenfalls ist damit
noch kein »Beweis seiner Niederlage« in der
Reihe der Kunst erbracht, wie Hans Kaiser
dieses erstrebt.
Die Frage liegt nahe, ob deutsche Malerei
nicht immer mehr auf Stimmung vor der Ge*
staltung, dem Mitklingen des Lyrischen — unseres
Gemüts — beruhe? Und betrachten wir bestes
und wesentliches in deutscher Malergeschichte:
«inen Schwind, Richter, den frühen Thoma —■
so werden wir immer wieder finden, daß der
Vorgang, der hier zum Kunstwerk führte, eine
Legende, ein Märchen, eine Stimmung war, in*
tensiv erlebt und langsam Gestalt annehmend
von farbenprächtiger Schönheit.
Aber natürlich ist auch dies allein noch kein
Wert und verbürgt nicht jene Qualität, die erst
Paul Klee Bildnis mit Stulpnase (Aquarell)
das Kunstwerk ausmacht. Audi hier ist es die
Stärke des Empfindens, die schöpferischen Willen
entfacht, und wird dieser erst wertvoll durch die
Kraft der Entsagung, die vereinfacht und formt:
Gestaltung bringt. Es ist das Erfassen des
Wesentlichen und der Kampf, der darum ge*
kämpft wird, unwesentliches abzustoßen.
Und sicher ist Paul Klee ganz ein Deutscher,
denn auch er wird beherrscht von Phantasien.
Seine Empfindung knüpft eng an unsere Tra*
ditionen an und, wenn Klee heute vieles schon
abstrahierter erlebt als ein Moritz von Schwind —
so ist diese Verschiedenheit wohl nur in der Zeit
zu suchen, in der ein jeder wirkte und stand.
Nicht ist es bei Klee wie bei Braque, Picasso
und anderen Romanen sinnliche Schönheit sich
türmenden Raums — nicht ist es bloßes Erlebnis
formaler Gestalt, die äußerste Harmonie des
Alls verkörpert. Vielmehr beseelt Innigkeit und
Märchenhaftes ihn wie den Dichter. Seine Seele
ist beschwingt von starkem Empfinden, von ly*
rischen Klängen, von zarter Musik, wie sie in
uns Deutschen Vorstellungen wachruft, die hei*
misch nur in unserem Wald und auf seinen
Hügeln. Romantik umdämmert ihn. Dennoch
finden wir auch bei Klee eine schön gegliederte,