Volltext: Zweiter Jahrgang (2(1921))

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Das Klee-Buch. Von Leopold Zahn. <Verlag Kiepen- 
heuer, Potsdam.) 
Idi mag eigentlich Kunstbücher nicht. Sie werden ja doch 
meistens geschrieben, weil der Verfasser ein sehr kluger 
und witziger Mann ist und uns dieses nun zeigen möchte. 
Es fragt sich aber, ob Bescheidenheit nicht viel klüger ist! 
Das war der Grund, der mich ein wenig ängstlich auf ein 
Buch über den Paul Klee und seine Kunst warten ließ. 
Nun liegt es vor mir,- Leopold Zahn, der dem Meister 
nabesteht, hat es geschrieben. Es ist ein einfaches und gar 
nicht eitles Buch, nur da kompliziert, wo es Klee selber ist. 
Sehr viel wird der selbst zitiert. Wir werden dieser sen 
siblen Gemütsstruktur nabegebracht und hören aus seinem 
eigenen Munde manches erklärendeWort, z.B. in dem gut 
gewählten Tagebuchauszug. Indes uns Zahn die Entwick 
lung des Meisters vom Zeichner phantastischer Grotesken 
bis zu seinem »Kosmischen Bilderbuch«, wie der Verfasser 
trefflich die gesamte letzte Schaffensperiode Klees kennt, 
demonstriert. Wir wollen nun nicht glauben, der Autor 
habe keine eigenen Gedanken über das Schaffen dieses so 
viel Befeindeten. Er nimmt es sogar sehr ernst damit, geht 
tief auf den Urgrund des schöpferischen Quells und weiß 
klug die wesentlichsten der Gründe zu finden. Sehr schöne 
Stellen aus Laotse sind auf Klee bezogen von tiefem Sinn, 
Zahn bringt sie uns. Auch weiß eres gut herauszuarbeiten, 
wie die Malerei Klees eine typisch deutsche ist in ihrer 
Gedanklichkeit und einem rein geistigen Wollen. Dieses 
wiederum entschuldigt auch den Verfasser, wenn er oft 
allzusehr ins Gedankliche, Metaphysische (dessen Klärung 
dem Deutschen eben vor allem wichtig) abschweift und wir 
vielleicht einige eingehende Worte über die Qualität des 
rein Malerischen vermissen. Dieses Buch aber ist ein er 
freuliches Dokument — und das erte — für diesen unseren 
großen Meister, von dessen Bildern es eine Unzahl in guten 
Reproduktionen mit sich führt. Helmud Kolle. 
EingelaufeneBüdher. 
Hugo Zehder: Kandinsky. Verlag Kaemrfierer, 
Dresden. 
Otto Grautoff: Die neue Kunst. Verlag Karl Sigis 
mund, Berlin. 
Otto Grautoff; Französische Malerei seit 1914. 
Mauritius-Verlag, Berlin. 
Gustave Coquiot: les independants 1884—1920. 
Ollendorf, Paris. 
Oeuvres de l'ecole franc^aise moderne (Katalog 
der Versteigerung Leonce Rosenberg in Amsterdam 
am 22. Februar 1921). 
Dr. Friedrich Bie; Ästhetische Weltanschauung 
im XIX. Jahrhundert. Julius Boltze, Freiburg 1921. 
Prof. Dr. F. Rachfahl: Don Carlos. Julius Boltze, 
Freiburg 1921. 
SerneriZumblauenAffen. P. Steegemann, Hannover. 
KlabundiMarietta. P. Steegemann, Hannover. 
Engerth: Schwabinger Köpfe. P. Steegemann, Han 
nover. 
NOTIZEN 
Die Neue Kunst und die Deutschen 
Städte <Ein Nachtrag) 
JENA 
Jena hat seit etwa zehn Jahren einen Kunstverein, der 
es mit den neuen Erscheinungen der Kunst bekannt machte. 
Die Künstler der Dresdner »Brücke« waren es vor allem, 
die durch die Freundschaft E. L. Kirchners mit dem Jenaer 
Archäologen Botho Graef frühzeitig zu Jena Beziehungen 
gewonnen. Botho Graef, der leider auch ein Opfer des 
Krieges ward, hat zu einer Zeit als für einen Kunsthisto 
riker noch recht viel Mut dazu gehörte, durch populäre 
Vorträge viel zum Verständnis der Neuen Kunst beige 
tragen. Seine damals mehrfach heiß befehdete Meinung 
wirkte trotzdem so nachhaltig, daß man noch heute nichts 
anderes gelten läßt, als den vor zehn Jahren von ihm in 
erster Linie geschätzten Künstler: Kirchner und die Brücke, 
Nolde, Munch, Haller und dessen Nachfolger. Die Bilder 
wurden sogar gekauft. 
Der Kunstverein brachte es dank der Initiative des 
Herrn Dr. Grisebach ziemlich frühzeitig — meist durch 
Stiftungen von Künstlern — zu einer recht schönen Samm 
lung, die Bilder von Kanoldt, Erbslöh, Kirchner, Heckei, 
Nolde (aus dem Nachlaß Graef), Hodler, Amiet, Gia- 
cometti umfaßt — August Macke, der auch durch persön 
liche Beziehungen mit Jena verbunden war, vermittelte dem 
Kunstverein ein Bild von Franz Marc und gab ihm zwei 
seiner eigenen Bilder. In den letzten Jahren kamen noch 
Stiftungen von Albert-Bloch, Stuckenberg und Gleich 
mann u.a. hinzu, von Campendonk konnte ein Bild käuf 
lich erworben werden. — Der wertvollste Besitz des Kunst 
vereins die Botho Graef-Gedächtnisstiftung, enthält bei 
nahe lückenlos Kirchners graphische Werke — vom Künstler 
ständig ergänzt — das vielleicht jetzt zum ersten Male 
in Deutschland in dieser Vollständigkeit vorhanden ist. 
Trotz allem hat der Kunstverein eigentlich kein Publikum. 
Von den etwa 3—4000 Intellektuellen, die die Universi 
tätsstadt bevölkern, sind etwa 120 Mitglieder des Kunst 
vereins. Vielleicht 40 davon besuchen ihn, 20 schätzen 
hn, solange es sich nicht um jüngste Kunst handelt — 
dann geht vielleicht ein halbes Dutzend mit. Das Interesse 
der Studenten war im Kriege sehr viel reger als jetzt, die 
Politik nimmt sie offenbar zu stark in Anspruch. Be 
sonders niederschmetternd war die Verständnislosigkeit 
und der Boykott der »Kunstfreunde« gegenüber der großen 
Kleeschau, die trotz weitgehendster Aufklärungsversucfae 
in Jena fast keine Wirkung übte. Das gleiche galt früher 
für Marc, heute für Bloch-Chagall-Molzahn-Stuckenberg- 
Schrimpf-Gleichmann-Feininger und so viele andere. Bei
	        
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