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gehen sollen. Jede unnütze Verteuerung gei
stiger Nahrung muß <und wird) der Gewissen®
hafte stets vermeiden. Aber: — die Beweg
gründe in Ehren! — wir waren kurzsichtig.
Diese Kurzsichtigkeit durch Mehrleistung wett®
zumachen, hat unser Bestreben zu sein. Nicht
durch den neuen Rechenfehler einer umstände
liehen, Mißstimmung hervorrufenden Valuta®
Ordnung. Gegen eine solche sträubt sich der
Großteil des Auslandes. Mit Recht. In ge
wisser Auslegung zugleich mit Unrecht. Denn
Wucher <der uns vorgeworfen wird), Schrullen
<die man uns andichtet), sind weder Grund
gedanken noch Regel. Wir weisen derartige
Vorwürfe gebührend zurück. Aber auch mit
ihnen haben wir — zugleich — zu rechnen. Je
weiter vom Schuß der Angreifer wohnt, umso
schwieriger ist es, ihm heimzuleuchten. Ein Hin
und Her von Briefen erfordert manchmal Mo
nate. Inzwischen schlagen Vorurteile ihre dauer
haften Wurzeln. Die Massenpsychose im
Krieg —' obwohl ganz etwas anderes — lieferte
Schulbeispiele. —
Wir verscherzen uns die uns Wohlgesinnten.
Wir entfremden uns die Auslanddeutschen <im
nahen abgetretenen Nordschleswig wie im fernen
Südamerika). Wir lassen uns Arbeitsgelegen®
heit entgehen (mancher Stellungslose würde Be®
schäftigung finden, wenn das Ausland stärker
bezöge). Wir fangballen mit dem Schlag wort
»Weltmarktpreis« und vergessen, daß er für
das Buch •— einen in keine übliche Waren»klasse«
einzureihenden Gegenstand, ein von Fall zu
Fall verschiedenes Geisteserzeugnis — über
haupt erst erfunden werden müßte. Wir stehen
der Ausbreitung eigener Ansichten im Wege
und überlassen fremden Sprachen den ersten
Platz. Wir öffnen dem Schiebertum Tür und
Tor. Wir bevormunden uns selbst und andere.
Deshalb — und aus noch vielen sonstigen
Gründen — bin ich Gegner der Valutaordnung.
Verlagsbuchhändler Heinrich Minden,
Dresden.
Mit diesem Artikel beende ich das Thema
»Valuta®Ordnung«. »Die Kornscheuer« 1921,
Heft I, bringt noch einen interessanten Aufsatz
von C. J. David, welcher sehr lesenswert ist.
Was sonst noch für und gegen diesen Unfug
geschrieben und bei der Hauptversammlung
des Börsenvereins Deutscher Buchhändler in
Leipzig gesprochen wurde, ist bedeutungs®
los. Eher geht ein Kamel durch ein Nadel
öhr, als daß ein deutscher Geheimrat zugibt,
daß er Unheil angestiftet hat. Bedeutungs
los auch deshalb, weil die Fürsprecher absicht
lich an dem Hauptargument vorübergehen,
nämlich dem Schleichhandel. Die Herren in
Leipzig und in Berlin können beraten und be
schließen, soviel sie wollen. Sie mögen Para
graphen auf Paragraphen häufen und in einer
unsäglich komisch wirkenden Emsigkeit die ge
setzgeberische Toga flattern lassen, Tatsache ist,
daß heute praktisch die Valuta® Ordnung nicht
mehr existiert. Ich werde mich hüten, weiterhin
an dieser Stelle dem Herrn Reichsbevollmäch
tigten Veranlassung zu geben, seine Para®
graphenmaschine von neuem zu ölen. Werfen
Sie diese zum alten Eisen, Herr Reichsbevoll®
mächtigter. Ein so tüchtiger Mann wie Sie,
findet sicher einen anderen Posten und aus dem
Heer Ihrer Untergebenen wird sich mancher
glücklich schätzen, dem deutschen Buchhandel
wieder an produktiver nicht destruktiver Stelle
dienen zu können. Eine pelzige Zunge aller®
dings bekommt man bei der Überlegung, welchen
Segen dieser Millionenaufwand rein zerstören®
der Arbeit der deutschen Kultur hätte bringen
können. Das Ultimatum des Reichswirtschafts®
ministeriums an den Börsenverein zur Aufhebung
der Valuta®Ordnung ist am 25. Februar abge®
laufen. Der Börsenverein protestiert, setzt
Kommissionen ein und berät. Die Vernunft
geht inzwischen ihren eigenen Weg.
H. G.