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Carl Mense, Bildnis des Paters Dominicus K.
Gemälde aus der Frühjahrs«Ausstellung »Neue Kunst«,
Hans Goltz 1921
Carl Mense, Halbakt. Aus d. Frühjahrs«Ausstellung
»Neue Kunst«, Hans Goltz 1921
BÜCHER
Dr. Friedrich Brie: Ästhetische Weltanschauung in der
Literatur des XIX. Jahrhunderts. (Julius Boltze, Frei«
bürg i. Br. 1921.)
Solange die Kunst eine »öffentliche^und religiöse Funk«
tion« besitzt, fehlt das Moment der »ästhetischen Isolie«
rung« und damit jede Vorbedingung für eine ästhetische
Weltanschauung. Altertum’und Mittelalter, wo die Kunst
noch eine sozial-religiöse Angelegenheit ist, kennen daher
keine ästhetische Weltanschauung. Ansätze zu einer solchen
entwickeln sicherst in der Renaissancezeit, am deutlichsten
in der englischen Renaissance <Marlows »Hero und Le
ander«, Shakespeares »Venus und Adonis«), Das 17. Jahr
hundert als ein Zeitalter der »Reaktion« vernichtet diese
Keime. Im 18. Jahrhundert erhob Rousseau’den Gefühls
kultus zur Religion: somit stand der Weg offen »zur Er
hebung der Kunst'zum höchsten und alleinigen Wert des
Lebens«. Diesen Weg gingen die deutschen Romantiker,
welche auf dem von Kant gelegten Grund der idealistischen
Philosophie die erste wirkliche ästhetische Weltanschauung
entwickelten. Kant hatte die Kunst als »Zweckmäßigkeit
ohne Zweck« definiert und damit jede Verbindung der
Kunst mit Religion, Ethik und Erkenntnis aufgehoben.
Schelling behandelte die ganzePhilosophie als metaphysische
Lehre von der Kunst <das Universum ist ihm das voll
kommenste Kunstwerk). Es ist nur folgerichtig, wenn
Schlegel und Novalis, die Lehre Schellings zu der ihrigen
machend, keinen Unterschied mehr zwischen philosophischer
und künstlerischer Tätigkeit, zwischen Dichten und Denken
anerkennen. Fast gleichzeitig mit der deutschen Romantik
— aber auf ganz anderer, ja entgegengesetzter Grund
lage — nämlich auf der des Sensualismus — hat sich in
England eine ästhetische Weltanschauung entwickelt, die
man am besten als ästhetischen Sensualismus bezeichnet
<Hauptvertreter derselben: William Beckford,Taylor Co«
lerigde, Keats). Bei Thomas^Wainewright nimmt die sen«
sualistisch-ästhetische Weltanschauung die Formen eines
absoluten Idhkultus an. <Rein sinnlicher amoralischer Schön-
heitsbegriff, zu dem sich später auch Oskar Wilde bekennt.)
Bei Edgar Allan Poe gehört die Schönheit ins Reich des
Mystischen, Unbestimmten und,Morbiden (wie bei Baude
laire). Stark hedonistisch wird der ästhetische Sensualismus
bei Landor. — Für den Rest des Jahrhunderts gibt Frank
reich die Concetti der herrschenden ästhetischen Welt
anschauung (Gautier, Baudelaire, Flaubert, die Goucourts,
Banville, Huysmans). Den Schlachtruf »L'art pour l'art«
formulierte Gautier. Unverkennbar ist der rationalistische
Zug der L'art pour l'art-Idee," Anfreundung der Kunst
mit der Wissenschrft. Wissenschaftliche Beobachtung und
Analyse (Impartalite und impersonnalite)- Bei Baudelaire
stärkste Abneigung gegen die Natur und Hang zum Arti
fiziellen. Lebensideal desJDandy, der dauernd die Natur
der Kunst opfert. Heroischer Kultus der Kunst als Form
bei Flaubert, sein Ideal ein Buch über nichts, das sich ledig
lich durch die innere Kraft seines Stiles halten sollte. Bei
den späteren (Mallarme, d'Aurevihy und Huysmans)