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Schnarrenberger ist dadurch die Möglichkeit einer breiteren Wirkung gegeben. Es bleibt jedoch
abzuwarten, wie weit eine Verschmelzung dieser positiven Kräfte mit dem alten Lehrkörper und
den alten Lehrprinzipien möglich ist: vorerst muß man zufrieden sein, solche Kräfte wenigstens in
Karlsruhe zu wissen,- ihre Wirkung auf das im großen und ganzen traurige Schülermaterial, das
zum großen Teil nicht aus innerer Berufung zur Kunst eilt, scheint jetzt schon zu erfreulichen
Resultaten zu führen.
Die Leitung der Kunsthalle hat der in den Bezirken der alten und neuen Kunst gleich bewan
derte und gleich aktive Dr. Storck übernommen. Als erste Tat hat er die wertvolle Abteilung
altdeutscher Meister, die bisher in abgelegenen Räumen ein kümmerliches Dasein fristen mußten,
neu aufgebaut und zum erstenmal ins rechte Licht gerückt, um ihre lebendigen Kräfte für die Gegen
wart fruchtbar zu
machen. EineSamm-
lung von internatio
naler Bedeutung ist
damit geschaffen,- die
alten Meister aus
dem Kreis des Lukas
Moser, die schwäbi
schen Handwerker,
die voll wahrer Kunst
sind, Cranach, Bai
dung, Grünewald —-
erst jetzt leben sie
auf, und man erkennt
in diesen vorbildli=
dien, von allem Pein
lichen einer Galerie
freien Sälen die Mög
lichkeiten musealer
Wirksamkeit, die
ihrerseits befruchtend
in das Leben der jun
gen Kunst eingreift.
Die junge Kunst
Kurt Schwitters
»Die Trauernde«
selbst wird von die
sem an internationa
len Beziehungen rei
chen Galeriedirektor,
in dem man übrigens
die Seele der aktiven
neuen Kunstbestre
bungen vermuten
möchte, tatkräftig ge
fördert. Dies er
kannte man vor kur
zem in der Organi
sation einer Aus
stellung von junger
badischer Kunst, die
Dr. Storck gemein
sam mit den Malern
Haueisen und Göbel
im Auftrag des The
aterkulturverbandes
veranstaltet hatte.
Die Qualität der vor
bildlich aufgebauten
Ausstellung, in der
Babberger, Hofer, Feininger, Zabotin, Schlichter vertreten waren, stand selbst absolut gemessen
auf einem überraschend hohen Niveau, das alles seit Jahren Geleistete weit überragte —- das
Entsetzen der Spießbürger, an deren Spitze die verhärteten Epigonen Themas und Trübners
marschieren, war groß. Wie Nagetiere suchen sie mit öffentlichen und geheimen Hetzereien und
lügenhaften Märchen, die die rührende Unkenntnis des Karlsruher Publikums ausnützen, dem
neuen Geist beizukommen und wie üblich stützen sie sich auf den Ordnungssinn der Bürger und
auf das »Gut Deutsche«, das der neuen Kunst fehle, dessen sie selbst aber voll seien. Sie, die
unverdrossen Oberflächlichen frohlocken über die gegenwärtige Krise der Kunst, die der Reaktion
Oberwasser gibt, und mit lächerlicher Symbolik haben sie den entthronten Großherzog, der für
die Kunst wahrlich gar nichts getan hatte, zum Ehrenmitglied ihres Künstlervereins gemacht!
All diese aktiven und passiven Obstruktionen tragen die typischen Merkmale der letzten Zuk-
kungen absterbenden Lebens, dessen produktive Kräfte schon erloschen sind,- man darf sie im
Grund fröhlich und fast wohlwollend betrachten, denn sachliche Arbeit im Sinn des neuen Geistes