Volltext: Zweiter Jahrgang (2(1921))

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Modellieren des Pinsels, das ist beste nieder* 
ländische Tradition und diese technische Tradition 
beizubehalten, kann auch für die neue geistige 
Ausdrucksweise der Malkunst keine Einbuße 
sein. 
Petrus Alma ist weitaus gehirnlicher als 
Sliuters und andererseits verfolgt er mit seiner 
Malerei ausgesprochen ethische Ziele. Im Grunde 
genommen, verneint die Kunst Almas diejenige 
von Sluiters, aber die erwähnten spezifisch hol* 
ländischen Kunstverhältnisse bringen es mit sich, 
daß man dennoch einträchtig mit* und neben 
einander ausstellt. Den Gemälden Sluiters, die 
Genußobjekte sind und reich und optimistisch 
tönen, stellt Petrus Alma Tafeln gegenüber, die 
sich nicht an die schlürfenden Geschmacksnerven 
des Betrachters, sondern an dessen Gewissen 
wenden sollen. P. Alma sucht nicht den hoch 
gepflegten Einzelnen, sondern die Masse mit 
seinen Darstellungen zu erreichen. Er geht des* 
wegen von Begriffen und Zuständen aus, die 
schon im Thema der Verständniskraft des ein* 
fachen Volksgenies sind. Damit führt ihn der 
Weg von allein aus dem Gehege des St-affelei* 
bildes hinweg zur Großmalerei auf Mauers* 
wand. Die von ihm ausgestellte Tafel »Rote 
Garde« hat aus der Freiheit des Staffeleibildes 
sich wieder heim gefunden in die unmittelbare 
Bindung von Schilderung und Gebäudemauer. 
Die Schematisierung der Gesichter und der Hai* 
tung schwächt nicht die ausströmende Energie 
des Vortrags, verstärkt ihn vielmehr und sagt 
deutlichst — wenn auch ohne platte Tendenz —, 
daß es hier um eine sozialistisch*revolutionäre 
Gesinnungsbekanntgabe geht. 
Der eingeladene Flame Gustave de Smet, 
dem gleichfalls eine Sonderabteilung eingeräumt 
war, gehört zu den hervorstechenden Vertretern 
des neuen Belgiens. Er begann als Luminist in 
der Art von E. Claus und erlebte erst als ein 
Vierziger den schicksalhaften Zwang, sich von 
dieser gefälligen Arbeitsweise und dieser hin* 
nehmenden, lediglich nachbuchstabierenden Weit* 
auffassung frei zu machen. Das Erlebnis rüt* 
telte das Unterste zu oberst. Alles mühsam 
erworbene, schöne Können flog gnadenlos in 
die Ecke. Leben, Sehen, Ausdrücken mußte 
von den Ursprüngen neu aufgebaut werden. 
Im Maße wie die Befreiung an Weite zunahm, 
vermehrte sich auch das Ungestüm. De Smet 
schafft wie im Fieber. Sein Atelier ist vollge* 
stülpt mit Leinewänden. Diesen Monat wird 
er in Brüssel, im Mai in Paris eine größere Aus* 
Stellung halten. Um kennen zu lernen, welcher 
persönlichen, blutdurchpulsten Ausbildung der 
Expressionismus fähig ist der Einwand, er 
entpersönliche, entnationalisiere die Kunst und 
mache sie dadurch einförmig, ist nicht ganz un* 
berechtigt — wäre es wichtig, daß man den 
Maler entlüde, seine Bilder auch einmal in 
Deutschland auszustellen. 
Im Haag. F. M. Huebner. 
Amsterdamer Kunstversteigerungen 
Leonce Rosenberg in Firma »TEffort mo* 
derne«, Paris, hat den glücklichen Gedanken ge 
habt, einen Stapel kubistischer Gemälde nach 
Amsterdam zu verfrachten und hier eine Kunst* 
Versteigerung abzuhalten. Es war die erste 
umfassende Kubismus*Einfuhr nach Holland 
und das Ergebnis, welches in Deutschland all* 
gemein bekannt sein dürfte, zeigt wie gesagt, 
daß Rosenberg als Kaufmann richtig rechnete. 
Von den etwa 160 Nummern des Verkaufs* 
katalogs wurden mehr als zwei Drittel, nämlich 
120Bilder,beieinemGesamterlösvonl7000Gul* 
den losgeschlagen. Diese Summe {ungefähr 
470 000 M. darstellend) ist das Doppelte dessen, 
was Rosenberg in Paris für dieselbe Bilder* 
menge erhalten haben würde. Neben der markt* 
mäßigen Bedeutsamkeit der Versteigerung liegt 
die Lehre derselben für die weiteren Kreise 
darin, daß sie zeigt, wie in Holland Sammler* 
interesse auch für die allerletzten Kunstschöpf* 
ungen besteht. Es handelt sich eben nur um 
die Aufmachung,- Angebote seitens deutscher 
Künstler und Händler ziehen nicht genügend in 
Betracht, daß man den Holländern nicht mit 
Gelärm und mit der Miene der Überlegenheit 
kommen muß, sondern daß man sie nur mit 
einer gewissen Kultur und Gepflegheit des an* 
bietenden Auftretens gewinnt. 
Bei Frederik Müller kamen Anfang April 
einige Privatkollektionen mit holländischen
	        
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