171
5
auf den Saaltischen aufliegen, sollen über den
Stand der Malerei Schottlands aufklärend und
werbend Bericht geben. Hierunter findet man
auch den dickleibigen Band von William D. Mc.
Kay »The Scottisch School of Painting« <1906).
Der sauber gedruckte Katalog umfaßt 98 Num-
mern: Ölgemälde, Aquarelle, Handzeichnungen.
Die Ausstellung wurde durch den Haager Bür
germeister in Gegenwart des englischen und
französischen Gesandten sowie des holländischen
Außenministers feierlich eröffnet und bedeutet,
wie man schon aus dieser offiziellen Herrichtung
ersieht, eine Repräsentationsangelegenheit. Sie
brauchte deswegen noch nicht belanglos zu sein.
In Wahrheit aber ist sie es. Die holländische
Presse ist ehrlich genug, es bei höflichen Be
grüßungsworten bewenden zu lassen, Bezieh
ungen zur Haager Schule festzustellen und im
übrigen die Sache in Ruhe zu lassen. Das
könnten auch wir Deutsche tun, wenn es uns
inmitten unserer Abgeschlossenheit nicht an und
für sich wichtig wäre, zu hören, wie es draußen
aussieht. Würde diese schottische »Moderne«
nun nach Deutschland kommen, so würde sich
das gleiche ereignen, als wenn Gemälde unserer
Heutigen auf der grünen Insel zur Ausstellung
kämen: ein beiderseitiges Entsetzen! Und dies
stimmt niederdrückend, denn, welche moralischen
und öffentlichen Denkverschiedenheiten müssen
hüben und drüben herrschen, wenn schon die
Künste beider Länder mit der ganzen Starre
und Unversöhnlichkeit von Alt und Neu sich
gegenüberstehen. Wird Annäherung und wohL
tätigeWesensbeeinflussung herüber und hinüber
je möglich, je wirklich werden?
F.M.H.
BOCHER
Picasso und Kandinsky
Zwei Monographien liegen vor, gewidmet jenen
zwei Persönlichkeiten, die als die kühnsten Konqui-
stadores einer auf Eroberung metaphysischer Ge
biete ausgehenden Kunstepoche gelten dürfen: Pi
casso und Kandinsky.
Seitdem Guilleaume Apollinaire tot ist, kommen
nur zwei französische Kunstschriftsteller für ein Buch
über Picasso in Betracht: Andre Salmon und Maurice
Raynald. Aber ich glaube nicht, daß Salmon so lo
gisch und klar über den Künstler geschrieben hätte,
wie es Raynald getan hat, dessen Picassomono
graphie, vorzüglich in die deutsche Sprache über
tragen, als stattlicher, über 100 Reproduktionen ent
haltender Band kürzlich vom Delphin-Verlag,
München, herausgegeben wurde.
Versuchen wir mit Hilfe der Angaben Raynalds
den Lebenslauf und die Entwicklung Picassos zu
verfolgen: Der 1881 in Malaga als Sohn eines Zeichen
lehrers Geborene kam mit 6 Jahren nach Barcelona.
In der Zucht humanistischer Erziehung wuchs er auf.
Dokumente seiner erstaunlichen künstlerischen Früh
reife finden sich heute noch im Besitze der Eltern und
verschiedener Sammler. Die Begeisterung des Knaben
galt Greco. Seit seinem 15. Lebensjahr dehnte er
sein Studium auf die anderen spanischen, dann auf
die französischen und flämischen Meister aus. »Schon
träumt er von einer schmerzhaften und resignierten
Menschheit, und seine christlidie und historisch ge
richtete Erziehung tragen nicht wenig dazu bei, daß
er sie unter verschiedenen idealisierenden Gesichts
punkten des Schmerzes, der Armut und der Ein
fachheit darstellt.« In der Barceloner Taverne »Zu
den 4 Katzen« trifft er sich allabendlich mit Künstlern
seines Alters und seiner Gesinnung, von denen einige
heute »zu den besten in Katalonien zählen«. In diese
Zeit fallen wiederholte Reisen nach Paris und ein
sieben- oder achtmonatlicher Aufenthalt in Madrid,
wo er sich an die Spitze der jungen Künstlerschaft
stellt und die Zeitschrift »Renascimento«, die viele
seiner Zeichnungen veröffentlicht, leitet. Der Einfluß
Toulouse — Lautrecs tritt jetzt deutlich zutage. Aus
den verschiedenen, hauptsächlich französischen Ein
flüssen, denen er nach und nach unterlag, »folgte eine
unvermeidliche Verwirrung in seinen Bestrebungen.
Er begriff . . . ., »daß ihm die französischen Meister,
die ihn besonders anzogen, gleichzeitig zu nahe und
zu ferne stünden/ in diesem Augenblick entschied er
sich, seinen Aufenthalt in Paris zu nehmen . . . .«
Hier schloß er sich einer kleinen Gruppe von Künst
lern und Schriftstellern an, zu der Guilleaume Apolli
naire, Manolo, Max Jacob, Jean Mollet, Maurice
Crennotz, Andre Salmon, Adolphe Basler, Galanio
und Maurice Raynald gehörten. Besonders innige
Freundschaft verband Picasso bald mit G. Apollinaire,
der damals seine erste Zeitschrift »Le Festin d'Esope«