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Der zweite Künstler ist Max Läuger, der Karlsruher
Keramiker. Zur Zeit des Jugendstiles ist er Sucher einer
neuen Form gewesen und Läugertöpfereien mit plastisch
aufgelegtem, pflanzlichem Dekor erfreuten sich größter An
erkennung. Jetzt arbeitet er still für sich, fern vom Markte.
Gebildet an den edlen persischen und türkisdien Fliesen
und Schalen strebt er unermüdlich zu letzter Vollendung
und restloser Beherrschung des Materials. Das Gebiet der
Majolika ist sein Reich. Bedingt durch die Schwere des
grobkörnigen Stoffes sind seine Urnen, Vasen und Schalen
von stillbewegter Umrißlinie voll edelster Harmonie. Die
Palette zeigt vorwiegend zwei Farben, ein ganz gesättigtes
tiefdunkles Blau und ein gedämpftes Grün. Geheimnisvoll
umspinnen feinste Ranken und Blätter unter schwerer silb
riger Glasur die Gebilde oder bewegen sich Tiere. Jedes
der Stücke ist einmalig, allen Zauber so in sich schließend,
der wiederum in jedem neu erscheint. Seine neuesten
Schöpfungen sind Kleinplastiken, weiche, verträumte
Frauen, die von Meertieren emporgetragen sind zum Licht
des Tages oder sich erstaunt und fragend vom Grunde
einer Schale lösen.
Ließ das Porzellan, ein feingeschlemmtes, in hohem
Brande gehärtetes Material, von mutiger Hand sich zu
jenen Riesenschöpfungen bilden, so hat auch die »Groß
herzogliche Majolika-Manufaktur« verstanden, die Gren
zen der Majolika zu dehnen. Daß dort auf dem Gebiete
der Baukeramik Gutes geleistet wird, zeigen die Zweit
ausformungen der von Bruno Paul entworfenen und unter
Mitwirkung des Bildhauers Willy Schade entstandenen
Fassade des Kunstmessehauses Dülk Berlin. Hier erscheint
der ganze Reiz der durch das Material bedingten, ruhigen
Fläche mit opalartigem Glanz der Glasur. In rhythmischen
Abständen sind Figuren in maßvoller Bewegung verteilt,
gehalten auch in dem Fluß ihrer Gewänder.
Der Manufaktur ist es unter ihrem neuen Direktor ge
lungen, namhafte Künstler an sich zu fesseln. Es seien hier
Scheurich mit Zierwandplatten, Prof. Wacker le-München
mit einem Zierbrunnen genannt. Als besonders gelungen
sind die Öfen von F. A. Breuhaus-Köln anzusehen, die
jedem Raum zur Zierde dienen würden.
Die Fabrik ist ursprünglich von Hans Thoma und Wil
helm Süs gegründet. Aus dieser Zeit stammen Kacheln
und Tellern von beiden geschmückt und so mustergültig
auch in ihrer technischen Behandlung, daß sie sich messen
können mit den in einer Vitrine untergebrachten alt
italienischen Majoliken aus der klassischen Zeit des 16. bis
18. Jahrhunderts. Auch der Tierplastiken Wilhelm Links
aus jener Anfangszeit sei Erwähnung getan.
Wo so starke, gestaltende Kräfte lebendig sind, zeugen
sie neues Leben und neue Werke und lassen den Glauben
wachsen an gute Tat. GreteBrandt.
Zenitistisches Manifest. Ivan Goll — Paris.
Jeden Morgen um fünf Uhr, überall, auf den fünf Konti
nenten, erhebt dieselbe Zeitung ihr übernächtlich graues
Haupt mit den schwarzen Lügen des Lebens:
Triedensßonferenz - Mord im Käsegescßäft —
Der Sprug aus dem Herzen der Gefaßten ~
Kauft Gifatte Rasiermesser - Bergson in
Amerika - Wäßßet Nero! ~ Hurra!
O Europäer mit kurzen Stirnen, Frauen mit zu engen
Korsetten, Kinder mit trojanischen Pferden: ihr alle, Feinde
einander, Feinde des Bruders und des Vaters: ihr alle,
Kronen der heiligen Schöpfung, jeder mit einer papierenen
Krone auf dem amerikanisch geschnittenen Haupthaar:
Sozialisten und Royalisten, zerlumpter Prolet im Ölrevier,
berlockentanzender Bankier in London: Oh! Nein! Nein!
Glaubet nicht, daß wir wieder einmal mit Phrasen der Liebe
zu euch kommen: Genossen, Brüder, ihr traditionellen
Gipsköpfe, verdummte Professoren, veralkoholte Beamten
gehirne, verseuchte Haut- und Seelenärzte: nein! Wir
hassen, hassen, hassen euch! Aber wir wollen die elende
Maske des kapitalistischen Karnevals von eurem Gesicht
herunterreißen, wir wollen alle eure Schamgewänder und
zynischen Efeublätter euch von den Gliedern zerren, bis
euer Hirn wie ein schmutziger Schwamm verdorrt, euer
Herz wie eine alte Semmel ausgetrocknet, vom Regen und
Sturm unserer Feindschaft schwellen und schwellen und
platzen, dann ihr als Tiere, als Mörder, als Militaristen
geborene, von Homer bis Marinetti mit Kampfgesängen
aufgepäppelten Nationen, ihr mit Bibeln,Witzen und Straf
gesetzbüchern statuierten Zivilisationen, ihr Völker, dann
wollen wir euch über die Kasernen und Justizpaläste hin
weg/ auf denen »Gott mit uns« und »Liberte Egalite Fra-
ternite« im Golde prangt, über eure Mauern und Moralen
hinweg Zenit zeigen Sonne Katarakte von Wahrheit,
Millionen Volt himmlischen Lichtes. Unsere erstklassige
Ia Denkmaschine wird euch vergiftetem Geschlecht flüssige
Sonne in eure kondensierten Milchbüchsen hineinverar
beiten: Wahrheit. Nein! Nein! Nein! Wir lieben euch
keineswegs! Wir wollen euch nicht umarmen, ihr Heuchler,
ihr Verdummten, ihr Frommen, ihr Politiker, ihr Syphi
litiker, ihr sentimentalen Kleinnationalen! — Nationen!
Stammbäume! Urgeschlechter! Quatsch! Mensch! Wir
sind nicht Franzosen, nicht Serben, nicht Deutsche, nicht
Neger, nicht Luxemburger! Wir sind Europäer, Ameri
kaner, Afrikaner, Asier, Australier! In dieser Zeit der
notwendigen Trusts ein gewaltiges Welt-Dokument:
Zenit! Mit Ozon, Wasserstoffsuperoxyd und Radium
wollen wir eure Münder und Herzen reinwaschen, auf
daß ihr als Menschen, ohne Abzeichen, barhaupt, ohne
Zylinder, Chauffeurmütze und Helm in die offene Sonne
der Wahrheit treten könnt, ohne den Sonnenstich oder die
Schlafkrankheit zu bekommen.
<Anm. d. Red. Zenit ist eine polyglotte internationale Zeit
schrift, die von jungen, reinen Menschen in
Agram (S.H.S.) herausgegeben wird.)