Volltext: Zweiter Jahrgang (2(1921))

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europäischen Einfluß aufgelockert zeigt. Die Tierwelt ist hier noch amüsanter, als sonst: beweglicher, 
verschiedenartiger. Vögel, Affen, Bären, sonderbare Mischformen von allerhand Fetisch-Getier 
kennt vor allem die Loangoküste, die sich von der Mündung des Kongoflusses nördlich hinauf 
zieht. Ganz verwickelte Gruppenbildungen kommen weiter oben in den Ländern Oberguineas 
vor: Vogel, der mit seinen Jungen sich um eine gefangene Schlange bemüht, die sich in seinem 
Schnabel und Krallengriff windet, usw. Das mystische Bewußtsein ist hierbei unter den schon 
jahrhundertelangen Einwirkungen der Europäer anscheinend ganz geschwunden,- mit der Ver 
weltlichung vereint sich so <wie kennzeichnend für den logischen Zusammenhang der seelischen 
Funktionen!) der Sinn für die lebhafte Beweglichkeit der Glieder — und auch der Farben,- denn 
während im Innern von Afrika der Kunsttrieb meist mit dunkler Bräune sich begnügt, strebt er 
an der Küste nach farbigem Reichtum oder wenigstens nach prononzierter Farbigkeit. Und so 
färben sich die Tiere von Togo ebenso wie die von Loango mit bunter Grellheit. 
* 
Doch die schönste Kunstgestalt hat das Tier nicht bei den Völkern gewonnen, die noch jetzt in 
ihren Wohnsitzen eine alte Tradition weiterpflegen oder verlottern lassen. Sondern in Benin, — 
im 15. und 16. Jahrhundert. Prachtvolle Bronzegüsse jener Zeit stehen in den deutschen Museen 
(Berlin, Leipzig, Dresden) zur Schau. Noch immer werkwürdigerweise unbeachtet, aber doch 
vorbildlich (oder möchte wirklich ein Kunstverständiger die Arbeiten des wackeren Berliner Gaul 
denen jener Negerkünstler vorziehen?), —■ vorbildlichst! Panther, Hähne, Schlangen, Frösche, Ibis, 
Rinder usw. — Die Bewohnerschaft einer ganzen Arche Noäh tummelt sich in Reliefs oder auf 
Postamenten oder als Rundplastik hinter den Glasfenstern der Museumsvitrinen! Sie alle in der ge= 
drängten Kraft aristokratischer Haltung: sehnig, schmal, schlank, krafterfüllt, kampfbereit und nervig. 
Wie ein miniaturhafter Nachklang dieser monumentalen und lebensfreudigen Kunst muten die 
reizenden Goldgewichte der Aschantineger an, die ehedem von den Einheimischen zum alL 
täglichen Wägen benutzt wurden. 
Die verschiedensten Tierarten jener 
Zone: Chamäleon,Vogel,Schlange, 
Krokodil, Heuschrecke usw. — all 
dies Getier erprägt sich, mit köstlicher 
Feinheit durcharbeitet, im schönsten, 
reinlichsten der Metalle. Ein Ab 
glanz dieser Kunst liegt noch verspä* 
tet auf den Tonpfeifen jener Gegend, 
die aber neuerdings (wie alles son 
stige Gute der eingeborenen Kultur) 
immer mehr durch die europäische 
Importware verdrängt werden. 
III. 
Wie immer aber auch das Tier 
vom Neger kunsthaft gestaltet wird: 
graziös oder plump oder in rassiger Kräftigkeit, 
tastisch^Schreckhafte, das manchmal die Südsee-Arbeiten in sich tragen und das wohl auch das 
Märchen von immerdar verängsteten primitiven Menschen angeregt hat. Gewiß, eine sozu 
sagen in sich gebundene Schwere liegt in jenen Tieren — wie ferne, ganz fern hebt sich der heiter 
bunte, göttlich freie Tierhimmel eines Franz Marc! Aber solche Schwere bedeutet zugleich Ur 
wüchsigkeit, gedrängte — vielleicht durch eigene innere Überfülle bedrängte? — Kraft des Lebens. 
Asdianti 
Rote Tonpfeifen 
Museum für Völkerkunde, Leipzig 
überall fehlt ihm das Beunruhigende, Phan-
	        
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