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europäischen Einfluß aufgelockert zeigt. Die Tierwelt ist hier noch amüsanter, als sonst: beweglicher,
verschiedenartiger. Vögel, Affen, Bären, sonderbare Mischformen von allerhand Fetisch-Getier
kennt vor allem die Loangoküste, die sich von der Mündung des Kongoflusses nördlich hinauf
zieht. Ganz verwickelte Gruppenbildungen kommen weiter oben in den Ländern Oberguineas
vor: Vogel, der mit seinen Jungen sich um eine gefangene Schlange bemüht, die sich in seinem
Schnabel und Krallengriff windet, usw. Das mystische Bewußtsein ist hierbei unter den schon
jahrhundertelangen Einwirkungen der Europäer anscheinend ganz geschwunden,- mit der Ver
weltlichung vereint sich so <wie kennzeichnend für den logischen Zusammenhang der seelischen
Funktionen!) der Sinn für die lebhafte Beweglichkeit der Glieder — und auch der Farben,- denn
während im Innern von Afrika der Kunsttrieb meist mit dunkler Bräune sich begnügt, strebt er
an der Küste nach farbigem Reichtum oder wenigstens nach prononzierter Farbigkeit. Und so
färben sich die Tiere von Togo ebenso wie die von Loango mit bunter Grellheit.
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Doch die schönste Kunstgestalt hat das Tier nicht bei den Völkern gewonnen, die noch jetzt in
ihren Wohnsitzen eine alte Tradition weiterpflegen oder verlottern lassen. Sondern in Benin, —
im 15. und 16. Jahrhundert. Prachtvolle Bronzegüsse jener Zeit stehen in den deutschen Museen
(Berlin, Leipzig, Dresden) zur Schau. Noch immer werkwürdigerweise unbeachtet, aber doch
vorbildlich (oder möchte wirklich ein Kunstverständiger die Arbeiten des wackeren Berliner Gaul
denen jener Negerkünstler vorziehen?), —■ vorbildlichst! Panther, Hähne, Schlangen, Frösche, Ibis,
Rinder usw. — Die Bewohnerschaft einer ganzen Arche Noäh tummelt sich in Reliefs oder auf
Postamenten oder als Rundplastik hinter den Glasfenstern der Museumsvitrinen! Sie alle in der ge=
drängten Kraft aristokratischer Haltung: sehnig, schmal, schlank, krafterfüllt, kampfbereit und nervig.
Wie ein miniaturhafter Nachklang dieser monumentalen und lebensfreudigen Kunst muten die
reizenden Goldgewichte der Aschantineger an, die ehedem von den Einheimischen zum alL
täglichen Wägen benutzt wurden.
Die verschiedensten Tierarten jener
Zone: Chamäleon,Vogel,Schlange,
Krokodil, Heuschrecke usw. — all
dies Getier erprägt sich, mit köstlicher
Feinheit durcharbeitet, im schönsten,
reinlichsten der Metalle. Ein Ab
glanz dieser Kunst liegt noch verspä*
tet auf den Tonpfeifen jener Gegend,
die aber neuerdings (wie alles son
stige Gute der eingeborenen Kultur)
immer mehr durch die europäische
Importware verdrängt werden.
III.
Wie immer aber auch das Tier
vom Neger kunsthaft gestaltet wird:
graziös oder plump oder in rassiger Kräftigkeit,
tastisch^Schreckhafte, das manchmal die Südsee-Arbeiten in sich tragen und das wohl auch das
Märchen von immerdar verängsteten primitiven Menschen angeregt hat. Gewiß, eine sozu
sagen in sich gebundene Schwere liegt in jenen Tieren — wie ferne, ganz fern hebt sich der heiter
bunte, göttlich freie Tierhimmel eines Franz Marc! Aber solche Schwere bedeutet zugleich Ur
wüchsigkeit, gedrängte — vielleicht durch eigene innere Überfülle bedrängte? — Kraft des Lebens.
Asdianti
Rote Tonpfeifen
Museum für Völkerkunde, Leipzig
überall fehlt ihm das Beunruhigende, Phan-