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-Ja.
— Und dein Geliebter, war er nach deinem Geschmack?
— Ich habe keinen Geliebten.
— Du lügst, der Fisch hat es verraten.
Tehura erhob sich und blickte mich starr an. Ihr Antlitz hatte einen seltsamen mystischen
Ausdruck majestätischer Größe, der mir fremd war und den ich in ihren heiteren, fast
kindlichen Zügen nie vermutet hätte.
Die Atmosphäre in unserer kleinen Hütte hatte sich verwandelt: Ich fühlte, daß etwas
Erhabenes sich zwischen uns erhob. Und wider Willen unterlag ich dem Einfluß des
Glaubens und erwartete eine Botschaft von oben. Ich zweifelte nicht, daß sie kommen würde,
obwohl die fruchtlosen Bedenken unseres Skeptizismus dieser glühenden, wenn auch nur
einem Aberglauben geltenden Inbrunst gegenüber noch ihre Macht auf mich ausübten.
Tehura schlich leise zur Tür, um sich zu vergewissern, daß sie gut verschlossen war,
und als sie bis in die Mitte der Kammer zurückgekommen war, sprach sie folgendes Gebet:
Rette mich! Rette mich!
Es ist Abend, es ist Abend der Götter.
Wache über mich, o mein Gott!
Wache über mich, o mein Herr!
Behüte mich vor Betörung und schlechten Ratschlägen.
Bewahre mich vor einem plötzlichen Tode,
Vor dem Bösen und Verwünschungen,-
Bewahre mich vor Streit um die Teilung des Landes,
Möge Frieden herrschen unter uns!
O mein Gott, schütze mich vor den rasenden Kriegern
Hüte mich vor dem, der mich bedroht,
Den es freut zu ängstigen,
Vor dem, dessen Haar sich beständig sträubt!
Auf daß ich und mein Geist leben können,
O mein Gott!
An diesem Abend, wahrlich, habe ich mit Tehura gebetet.
Als sie ihr Gebet beendet hatte, kam sie mit Tränen in den Augen zu mir hin und
flehte mich an, sie zu schlagen.
Und vor dem tiefen Ernst dieses Antlitzes, vor der vollkommenen Schönheit dieser
lebenden Statue glaubte ich die von Tehura heraufbeschworene Gottheit selber vor mir
zu sehen.