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auch der ungeteilten Quantität
ein besonderer Wert zuerkannt.
Die »Heiden« von 1919 bilden
den Übergang, bei dem Frauen
bildnis in Dresden aus dem
gleichen Jahre (beide abgebildet
in »Die bildenden Künste« 1919,
Heft 11/12) ist zum erstenmal
der neue Farbenklang voll und
stark erreicht. Die nächsten
Dresdner Bilder, die Elbeland^
Schaft und die »Macht der Mu
sik«, halten diese aufrauschende
Farbigkeit fest/ die Abbildung
des letztgenannten Bildes im
Genius <11. Jahrg., I. Band) ver
mag keine Vorstellung zu geben
von der glasbildhaften Wucht
und Bntleiblichung der Farbe.
Es herrscht eine koloristische
Energie, die an die allererste
Jugendfrische Kokoschkas erin
nert, an die Jahre seines ersten
Auftretens, in denen der unbe=
kümmerte Farbenzugriff aller
dings der dekorativen Schulung
noch nicht ganz entrückt war.
Die im Winter 1920 in Wien
entstandenen zwei Bilder folgen
der gleichen Richtung. Selbst
wertige Farben wuchern hier in
einer weltentrückten Existenz,
leben ihr eigenwilliges Dasein
wie Blumen im Dschungel,- üppig,
unbezähmbar, beängstigend, in
ihrer sieghaften und selbstbe
gnügten Pracht. Alle ängstliche
Gebundenheit an Naturvorbild
und konkreten Eindruck ist ent^
schlossen ausgelöscht ,• unbeirrt
macht der Künstler von seinem
Schöpfervorrecht Gebrauch.
Die Bilder stehen den Anfängen Kokoschkas sehr fern und sehr nahe,- ein altes Ziel wird mit
neuen Mitteln angestrebt, eine Kette oder besser ein Kettenglied schließt sich. Im gleichen Ver
hältnis der in der Identität der Persönlichkeit begründeten Verschiedenheit — denn was könnte
notwendig verschiedener sein als die durch Jahre getrennten Erzeugnisse der gleichen weiter^
wachsenden Persönlichkeit? stehen die neuen Zeichnungen zu den alten. Als Porträtzeichner hat
O. Kokoschka
Mädchen mit Papagei <Gemälde>
<Mit Genehmigung von Paul Cassirer, Berlin)