ihr Sprachkleid zu weben muß vor allen andern Pflichten mich bewegen. Nicht um des Schrift-
stellers Willen bringen Volk und Abnenreibe den Schriftsteller hervor. Um sich selbst zu objek
tivieren opfert das Volk den Einen auf so einsamen Altäre. Um aus seinen Eingeweiden zu
deuten und zu erkennen, was der Götter Urteil über Volk und Ahnen. Aber der Schriftsteller
ist ein solcher nur in seiner Erkenntnis als Opfer und in seiner Beschränkung auf diese eine Auf=
gäbe: ein tauglich Eingeweide zu sein den Auguren. Füllt er sich romantischerweise mit fremden
Inhalten, tritt er als Schriftsteller auf eigene Faust, ein Soldat mit falschem Urlaub, ein in den
Kreis weit leichterer Aufgaben, so erscheinen plötzlich des Volkes mystischer Entschluß, ihn
hinauszustellen als Grausamkeit, die kein Widder abkürzt wie bei Abrahams Opfer, und seine
Ausnahme als pures, weltliches Elend. Seine Armut wird gemeine Not, seine Einsamkeit wird
Effekt einer Verstoßung. Seine Opferung vollzieht sich ohne Geheimnis und wird ihm und Allen
zur Hinschlachtung. Armut, Einsamkeit, Unverstandenheit verlieren ihren Charakter als sakrale
Notwendigkeiten, als gelobte Hinzukommenschaften eines merkwürdigen Mönchlebens und fallen
ihn an mit den Leiden des Amts ohne den Trost auch des Amtes zu hinterlassen. Wenn glücke
liebere Lebensumstände ihn vermögen, Armut, Einsamkeit und Unverstandenheit nicht an sich
herankommen zu lassen in ihren ökonomischen Erscheinungen, so werden die jetzt als Grausam
keit definierte Hinausstellung seiner Existenz aus der Ahnenkette und die als Elend gekenn^
zeichnete Tatsache seiner Ausnahme doch nicht aufhören, die Blutspur des aus Gemeinschaft
Flüchtgen zu verfolgen. Die nun einmal empfangenen Weihen, wirkend, was immer auch der
Abgefallene berührte, werden sich wider ihn wenden, ihn höhnen aus jedem Mißgriffe, den er
tut, mit Satansfratze aus dem Leser seiner Bücher feixen, die er im leichteren Kreise arrogierter
Objekte schreibt.
Während so das hinausgestellte Opfer zögert, seinen Platz auf dem Altäre einzunehmen, be
fleißt sich der Satiriker des Vaterlandes einer soi-disant Darstellung seiner Gestalten. Leichen
geruch der noch immer nicht Geborenen lockt ihn an. Er raubt ihnen alles, was Lemuren be
sitzen, Fratze und Jargon, und verwendet sie mit Recht und als Beweise einer wirklichen Welt
gegen Dichter desselben Landes, die einem »abwesenden Dritten« nachdichten, gegen flüchtige
Dichter, die eines ihrem Gegner zubilligen müssen: daß er am Orte, an einem abscheulichen
Orte, aber doch, geblieben ist. Daß bloßer Besitzwechsel hinwiederum von Fratze und Jargon,
daß Raub an Lemuren und Ausstellung des Raubes nicht Gestaltung des unerlösten Chaos ist,
werden diese Dichter entgegnen dürfen.
So steht in Mitten zwischen Wirklichkeit und Dichtung und durch unsere Schuld das mit
Greinen und Grinsen angefüllte Archiv des Satirikers, ein Greuel denen, die ihr Gesicht verloren
haben und ihre Stimme an den größten Stift, der je die Platten eines Grammophons beschrieben
hat und uns ein Vorwurf, dessen sentimentale Erscheinung ich erkannt und verworfen habe.
Gütersloh.