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suchen unter Förderung der staatlichen Kunstverwaltung ehrlich die bleibenden Werte in der
verwirrenden Flucht der Erscheinungen,- was sonstwie hier mitzuwirken hat, zählt zum
großen und größten Publikum. Sammler und Händler großen Stils fehlen, nur die Konjunktur
hat in den letzten Jahren ihr Interesse erwärmt,- einen echten und wirklichen Freund, an dem die
meisten von ihnen jahrelang einen Rückhalt gefunden hatten, haben die jungen Künstler in Josef
Hauer kurz nach Beginn des Krieges verloren. Seine schöne Menschlichkeit stand wohltuend
über einem Gebiete, auf dem sich hysterische Verzücktheit und geschäftige Gewinnsucht sonst
oft seltsam kreuzen und bisweilen — besonders widerwärtig — verbinden.
Die Zerfahrenheit dieser Verhältnisse hat im Ausstellungswesen besonders charakteristische
Blüten hervorgebracht. Wir sahen Ausstellungen, in denen dem offiziellsten Kitsch Abteilungen
kitschigster »Neukunst« — halb Lachkabinet, halb Geschäftskniff — angegliedert waren,- wir
sahen eine Kunstschau, in der durch eine einseitige — übrigens sehr geschickte und geschmack^
volle — Aufmachung auch die tragenden Kräfte von heute in ein dekoratives Ideal von gestern
eingefügt wurden,- wir sahen viele kleine Sonderausstellungen einheimischer Jugend, die nach
befruchtenden Kräften verlechzend in engen Kreisen zu versanden droht und die ernsten Be
mühungen der vielfach auf deutschböhmische Künstler gestützten »Freien Bewegung«. Und
wir sahen seit Jahren keine oder nur durch Zufall hergesprengte — Werke von Oskar Kokoschka,-
weil dieser uns fern bleibt, wie er selbst seinem neuen Boden fremd, ist Wiens Verhältnis zur
neuen Kunst ohne Halt,- denn wir wissen aus tiefstem Instinkt, daß er zu uns gehört als unser
Führer und heimlicher Kaiser. Hans Tietze.
FRANKREICH
Der Pariser Herbstsalon 1920
Enttäuscht meldet der »offizielle« Kritiker, im
Herbstsalon dieses Jahres keine neue Richtung
entdeckt zu haben. Nicht einmal eine neue
Richtung! Wahrlich, es muß schlecht um die
schöpferischen Kräfte der Neuen Kunst bestellt
sein. Moribundus. <Ich habe übrigens gehört,
daß auch in Deutschland düstere Propheten den
Untergang der Neuen Kunst weissagen.)
Bedenkt denn keiner, daß wir die junge Ge
neration, von der vielleicht neue Impulse aus=
gegangen wären, auf den Schlachtfeldern hin
schlachten ließen? Die Jugend, auf die wir rech=
nen können, zählt heute, wie Vlamink mit Recht
bemerkt, noch nicht mehr als 12 Jahre.
Im Herbstsalon stellen reife Männer aus, Ge^
festigte, die ihren Stil gefunden haben, und wir
werden uns wohl damit abfinden müssen, lange
Zeit hindurch Entwicklungen zu verfolgen, die
in das Stadium der Beruhigung getreten sind.
Wir sehen Matisse, souverän auf dem Gipfel
der Meisterschaft seiner Kunst gebieten. Die
»Familie« wird immer als chef-ceuvre dieses
starken Koloristen gelten. Gleizes vereinfacht
sich immer mehr. Er träumt von einer Kunst,
an der das Volk wieder Anteil haben kann. Das
Tafelbild verwirft er als zu eng, zu kapitalistisch:
Verwirklichung seiner Ideale erwartet er vom
Fresko. Bracque hat man nicht zu Unrecht
mit Chardin verglichen. Andre Lhöte, der
Maler-Kritiker, hat sich diesmal darauf be=
schränkt, nur Maler zu sein —■ zum Heile seiner
Kunst. Raoul Dufy — o, er besitzt eine glän
zende Begabung und erstaunliche Kenntnisse —
woran mag es nur liegen, daß man ihm doch
nicht restlos zuzustimmen vermag ?Dunoyerde
Segonzac hat mit seiner großen Landschaft
einen echten Erfolg errungen. Er besitzt die
Haupttugenden des französischen Geistes: Ord
nung und Maß. <Von den Kompositionen seiner
Frühzeit konnte man das nicht behaupten.) Das
malerische Temperament Viaminks hat nichts
von seinem hinreißenden Brio eingebüßt. Kees
van Dongen erregt die Sensation, auf die es
ihm ankommt. Der Unterschied zwischen einem
Kees van Dongen und einem Bouguereau ist nur
zeitlicher Natur. Als Maler mondäner Frauen
und pikanter Grisetten mag man ihn gelten