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C. R. W. Nevinson ist ein Bxperimentalist, der
bei allen Modernen zur Schule gegangen ist. Die Im*
pressionisten Cezanne, Picasso, Matisse, der Italiener
Boccioni — sie alle haben zu seiner Entwicklung
beigetragen. Keiner hat ihn zu binden gewußt. Er
behält sich das Recht vor, jedes Motiv auf die ihm
best entsprechende Weise zu behandeln. So schwankt
er zwischen akademischer Illustration und futuristi
schem Dynamismus. Seine wahre Persönlichkeit ist
schwer zu erkennen. Vielleicht spricht sie am deut
lichsten aus seinen Kriegsbildern, in denen er mit
großem Geschick klare Darstellung mit futuristischen
Elementen verbindet. Keiner hat wie er das Schreck
hafte und Zerstörende des modernen Krieges aus
gelegt. Er zeigt die Herrschaft der Maschine, die nicht
mehr dem Menschen dient, sondern ihn zum Sklaven
macht und ihn zermalmt.
PaulNash und John Nash haben für die Kriegs
landschaft dasselbe geleistet, was Nevinson für den
Soldaten und die Kriegsmaschine getan hat. Beide
sind außerordentlich naiv in ihrer Stilisierung von
Landschaftsmotiven. Die Tendenz bei beiden ist
dekorativ. Sie streben nach rhythmischen Formen in
vereinfachten Massen und wissen ihre schlangenartig
windenden Baumstämme und federartiges Laub mit
fast unheimlichen Leben auszustatten.
Von anderen Malern und Zeichnern moderner
Richtung wären noch A. Guevara, Nina Harn-
nett, die Brüder Stanley und Gilbert Spencer,
Ethelbert White, Darsie Japp und Rupert Lee
zu nennen. Um die beiden Spencer hat sich eine
Gruppe neuer Primitivisten gebildet, die religiöse
Darstellungen mit Giottesker Intensität und naiver
Direktheit auffassen, aber mit den Präraphaeliten des
vorigen Jahrhundert nichts gemein haben.
London, September 1921. P. G. Konody.
UNGARN
JungungarischeMalerei. Von Ernst
Källai
Bei meinem Aufsatz im Dezemberheft des »Ararat«
kam es mir auf die allgemeinen Wesenszüge der nach
impressionistischen Malerei in Ungarn an. Ich möchte
nun auf die Polarität hinweisen, zu der die funda
mentalsten Werte der jungungarischen Kunst gegen
seitig in Beziehung treten. Die illustrierenden Bei
spiele wollen vor allem als prinzipielle Erscheinungen
der schöpferischen Geistesart betrachtet sein. Der
selbstverständlich mitbeachtete Standpunkt der Aus
wahl nach formaler Repräsentanz wurde bei Szönyi
durch die Unmöglichkeit beeinträchtigt, Photographien
nach neueren, reiferen Werken des Künstlers zu be
schaffen.
Organisch Plastisches und abstrakt Flächiges, Kom
position und Konstruktion sind die beiden reinen
Pole der jungungarischen Kunst. Jener ist ein Erbteil
des ungebrochenen östlichen Naturgefühls, dieses
geht auf Anregungen des zivilsativ bestimmten
Westens und seiner kubistisch-konstruktiven Kunst
zurück.
Auch die erste, unmittelbar nachimpressionistische
Periode der ungarischen Kunst war den konstruk
tiven Anregungen Cezannes und der Kubisten ge
folgt, ohne jedoch den Zusammenhang mit dem sinn
lich blutwarmen Stoffgebiet und Lebensgefühl der
magyarischen Erde und ihrer Menschen verloren zu
haben. Dieses vollkommene Gleichgewicht der inner
lichst vereinten organischen und abstrakten Tendenzen
ist besonders bei Tihanyi fühlbar, den man als füh
renden Maler der ungarischen Abkehr vom Impres
sionismus bewerten muß. Seine Kunst bemüht sich
auch heute noch um das strukti ve Erfassen der Dinge:
Wesen der Natur. Sie steht abseits aller politischen
Rassen- und Weltanschauungstendenzen. Sie ist
mehr ein Akt der Erkenntnis als der Tat.
Je mehr die jüngeren Maler sich stofflich und vital
auf die Einseitigkeit der barbarischen Heimatsnatur
oder der modernen Zivilisation stellten, um so mehr
ließen sie ihre Form zu dem herabsolutierenden Aus
druck und Bau eines mächtigen Willens ausladen.
Aus heimatlicher Bodenstämmigkeit schnellt das
stolze Bekenntnis zur Rasse empor.
Freiwillige Selbstverbannung oder Kommunisten
flucht vor nationalistischer Verfolgung nach den Groß
städten des Westens führen zu Visionen der sozialen
Revolution und der modernen Industrie und Verkehrs
technik.
Dort ästhetisch sublimiertes Vorausleuchten einer
neuen, nationalen Bauerndemokratie. Hier der fana
tische Wille zur allmenschlichen Zukunft über Rassen
und Nationen hinweg als treibendes, vergeistigendes
Zentrum des Schaffens.
Das Lebensgefühl der agrarisch-individualistischen
Heimat drängt zur organisch-schwellenden, heroisch
gewölbten und emporgereckten Plastizität und zur
freien Komposition: Nemes-Lamperth, der frühe