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anderen eine Kerze haltend.« Auf Speise und Trank
achtete er wenig,- auf einem kleinen Kochherde be*
reifete er sich das wenige, dessen er bedurfte. Des
Morgens, ehe er zum Malen auszog, tat er Wasser
und Gemüse in die Töpfe, zündete das Feuer an
und überließ das Garwerden der Vorsehung. Bei
der Heimkehr schlang er die Speisen hinunter wie er sie
vorfand, entweder noch unfertig oder schon ange*
brandt. Diese sorglose Art der Ernährung trug viel
dazu bei, van Gogh körperlich zu entkräften.
Sein Haus hatte er zum größeren Teile mit gelber
Farbe ausgetüncht, um den Sinnesreiz der Sonnen*
helle beständig um sich zu haben,- die Wände des
Erdgeschoßes bedeckte er mit Fresken, die nach dem
Zeugnisse der Hausbesorgerin, sonnenverbrannte
Landschaften, große Sonnenrosenfelder und zwei un*
wahrscheinliche Aktfiguren darstellten. Diese Fresken
hat der französische Maler Leo Lelee später versucht,
abzulösen,- aber es gelang nur teilweise,- die Feuch*
tigkeit hatte sie bereits allzuweit zerstört.
Als sich van Gogh das erstemal in die Behandlung
eines Irrenarztes begeben mußte, malte er für diesen
den Dr. Reg, nach seiner Genesung aus Dankbarkeit
ein Gesichtsbildnis. Die Familie des Arztes lehnte
die Leinwand einhellig ab, weil die Augen grün, der
Mund violett, der Hals feuerrot gemalt waren. Die
Tafel wurde in den Hühnerstall verbannt, wo der
umgekehrte Holzrahmen als Sitz-Gestänge für die
Hennen diente. Nach dem Tode des Malers, da sich
sein Ruhm auszubreiten begann, holte der Arzt das
Werk wieder hervor, und verkaufte es zu einem guten
Preise an einen Marseiller Händler,- unlängst hat es
in den Händen eines amerikanischen Weiter Verkäufers
einen noch viel höheren Preis erzielt.
Van Gogh selber war sich des Werts seiner Ar*
beiten natürlich voll bewußt. »Zur Aussteuer der
Tochter eines seiner Nachbarn, hatte er dieser vier
Leinwände geschenkt. Diese Gemälde wurden gleich
den andern, die der Maler verschiedenen Einwohnern
von Arles zum Geschenke gemacht hatte, nach dem
Tode des Künstlers um 50 Frs. das Stück von den
Händlern aufgekauft, die nach Arles förmliche Raub*
züge unternahmen«. Trotz alledem ist das Gedächtnis
an den Namen van Goghs unter den Einwohnern
von Arles vollkommen ins Nichts versunken.
Im Haag. F. M. Huebner.
Holländische Betrachtung der neuen deutschen
Literatur
In dem sehr rührigen und von neuzeitlichem Geiste
erfüllten Verlage van Loghum, Slaterus en Visser,
Arnhem hat Herman Wolf soeben ein Buch über
die jüngste deutsche Literatur erscheinen lassen, das
für holländische Kreise inhaltlich sehr lehrreich sein
dürfte, für uns Deutsche aber, außer durch seinen
Inhalt aber auch durch den Geist, in dem er geschrieben
wurde, der Beachtung wert ist. Es wäre zu viel
gesagt, wenn man behaupten wollte, hier äußere sich
die Schätzung der neuen deutschen Literatur auf
enthusiastische Weise,- auf enthusiastische Weise aus
sich herauszugehen und für eine Sache einzutreten,
liegt ja wohl überhaupt nicht in der Wesensart und
im Stilideal der Holländer. Trotzdem bleibt eine Auf*
geschlossenheit gegenüber den deutschenErzeugnissen,
derentwegen das Buch schier erstaunlich anmutet.
Diese Studien hätten von einem Deutschen nicht sach*
kundiger und überlegter geschrieben werden können.
Will das nicht unendlich viel sagen? Und berührt,
unter dieser Voraussetzung der vollständigen Stoff*
beherrschung, jene objektive Kühle, deren H. Wolf
sich befleißigt, nicht ungemein einnehmend? Eben
diese Objektivität ist Wertung, ist Eingeständnis
der kulturellen Wichtigkeit aller jener Figuren und
und Werke, die zur Darstellung kommen. Diese, die
Darstellung, ist erfreulich locker, oft in aphoristischen
Absätzen gehalten und mit vielen wörtlichen An*
führungen der Werke durchsetzt, die dem Verfasser
wichtig erschienen. Man kann wohl sagen, daß er
sich nirgendwo vergriffen hat und überall, bei Versen
und bei Prosastellen, die charakterischen Beispiele an*
führt. Mit diesem Werke ist jedenfalls eine sehr
wichtige Aufklärungsarbeit geleistet sowohl im In*
teresse der deutschen neueren Dichtung als auch im
Interesse eines anzustrebenden künstlerisch*literari*
sehen Hand* in *Handarbeitens, welches nach dem
Kriege einsetzen muß und das zur Folge haben wird,
daß die verschiedenen Länder Europas in ihren lite*
rarischen Leistungen einander nicht mehr abgeschlos
sene, fast unzugängliche Enklaven bleiben, sondern
zu gastfrei-offenstehenden Provinzen einer zwischen
staatlichen, europäischen Lebens* und Kulturstim
mung werden sollen. F. M. H.
Das Museum als Konzerthalle
Professor Martin vom Haager Mauritsmuseum
weilte unlängst in Amerika, wo er Kunstvorträge
hielt. Dem Nieuwe Rotterdamsche Courant nach
zeigte er sich sehr einverstanden mit den amerikani
schen Versuchen, die Bindung zwischen Museum
und Öffentlichkeit inniger zu machen. Er weist als
nachahmenswert für die europäischen Galerieleitungen
darauf hin, daß man in den Museen New-Yorks