Volltext: Zweiter Jahrgang (2(1921))

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anderen eine Kerze haltend.« Auf Speise und Trank 
achtete er wenig,- auf einem kleinen Kochherde be* 
reifete er sich das wenige, dessen er bedurfte. Des 
Morgens, ehe er zum Malen auszog, tat er Wasser 
und Gemüse in die Töpfe, zündete das Feuer an 
und überließ das Garwerden der Vorsehung. Bei 
der Heimkehr schlang er die Speisen hinunter wie er sie 
vorfand, entweder noch unfertig oder schon ange* 
brandt. Diese sorglose Art der Ernährung trug viel 
dazu bei, van Gogh körperlich zu entkräften. 
Sein Haus hatte er zum größeren Teile mit gelber 
Farbe ausgetüncht, um den Sinnesreiz der Sonnen* 
helle beständig um sich zu haben,- die Wände des 
Erdgeschoßes bedeckte er mit Fresken, die nach dem 
Zeugnisse der Hausbesorgerin, sonnenverbrannte 
Landschaften, große Sonnenrosenfelder und zwei un* 
wahrscheinliche Aktfiguren darstellten. Diese Fresken 
hat der französische Maler Leo Lelee später versucht, 
abzulösen,- aber es gelang nur teilweise,- die Feuch* 
tigkeit hatte sie bereits allzuweit zerstört. 
Als sich van Gogh das erstemal in die Behandlung 
eines Irrenarztes begeben mußte, malte er für diesen 
den Dr. Reg, nach seiner Genesung aus Dankbarkeit 
ein Gesichtsbildnis. Die Familie des Arztes lehnte 
die Leinwand einhellig ab, weil die Augen grün, der 
Mund violett, der Hals feuerrot gemalt waren. Die 
Tafel wurde in den Hühnerstall verbannt, wo der 
umgekehrte Holzrahmen als Sitz-Gestänge für die 
Hennen diente. Nach dem Tode des Malers, da sich 
sein Ruhm auszubreiten begann, holte der Arzt das 
Werk wieder hervor, und verkaufte es zu einem guten 
Preise an einen Marseiller Händler,- unlängst hat es 
in den Händen eines amerikanischen Weiter Verkäufers 
einen noch viel höheren Preis erzielt. 
Van Gogh selber war sich des Werts seiner Ar* 
beiten natürlich voll bewußt. »Zur Aussteuer der 
Tochter eines seiner Nachbarn, hatte er dieser vier 
Leinwände geschenkt. Diese Gemälde wurden gleich 
den andern, die der Maler verschiedenen Einwohnern 
von Arles zum Geschenke gemacht hatte, nach dem 
Tode des Künstlers um 50 Frs. das Stück von den 
Händlern aufgekauft, die nach Arles förmliche Raub* 
züge unternahmen«. Trotz alledem ist das Gedächtnis 
an den Namen van Goghs unter den Einwohnern 
von Arles vollkommen ins Nichts versunken. 
Im Haag. F. M. Huebner. 
Holländische Betrachtung der neuen deutschen 
Literatur 
In dem sehr rührigen und von neuzeitlichem Geiste 
erfüllten Verlage van Loghum, Slaterus en Visser, 
Arnhem hat Herman Wolf soeben ein Buch über 
die jüngste deutsche Literatur erscheinen lassen, das 
für holländische Kreise inhaltlich sehr lehrreich sein 
dürfte, für uns Deutsche aber, außer durch seinen 
Inhalt aber auch durch den Geist, in dem er geschrieben 
wurde, der Beachtung wert ist. Es wäre zu viel 
gesagt, wenn man behaupten wollte, hier äußere sich 
die Schätzung der neuen deutschen Literatur auf 
enthusiastische Weise,- auf enthusiastische Weise aus 
sich herauszugehen und für eine Sache einzutreten, 
liegt ja wohl überhaupt nicht in der Wesensart und 
im Stilideal der Holländer. Trotzdem bleibt eine Auf* 
geschlossenheit gegenüber den deutschenErzeugnissen, 
derentwegen das Buch schier erstaunlich anmutet. 
Diese Studien hätten von einem Deutschen nicht sach* 
kundiger und überlegter geschrieben werden können. 
Will das nicht unendlich viel sagen? Und berührt, 
unter dieser Voraussetzung der vollständigen Stoff* 
beherrschung, jene objektive Kühle, deren H. Wolf 
sich befleißigt, nicht ungemein einnehmend? Eben 
diese Objektivität ist Wertung, ist Eingeständnis 
der kulturellen Wichtigkeit aller jener Figuren und 
und Werke, die zur Darstellung kommen. Diese, die 
Darstellung, ist erfreulich locker, oft in aphoristischen 
Absätzen gehalten und mit vielen wörtlichen An* 
führungen der Werke durchsetzt, die dem Verfasser 
wichtig erschienen. Man kann wohl sagen, daß er 
sich nirgendwo vergriffen hat und überall, bei Versen 
und bei Prosastellen, die charakterischen Beispiele an* 
führt. Mit diesem Werke ist jedenfalls eine sehr 
wichtige Aufklärungsarbeit geleistet sowohl im In* 
teresse der deutschen neueren Dichtung als auch im 
Interesse eines anzustrebenden künstlerisch*literari* 
sehen Hand* in *Handarbeitens, welches nach dem 
Kriege einsetzen muß und das zur Folge haben wird, 
daß die verschiedenen Länder Europas in ihren lite* 
rarischen Leistungen einander nicht mehr abgeschlos 
sene, fast unzugängliche Enklaven bleiben, sondern 
zu gastfrei-offenstehenden Provinzen einer zwischen 
staatlichen, europäischen Lebens* und Kulturstim 
mung werden sollen. F. M. H. 
Das Museum als Konzerthalle 
Professor Martin vom Haager Mauritsmuseum 
weilte unlängst in Amerika, wo er Kunstvorträge 
hielt. Dem Nieuwe Rotterdamsche Courant nach 
zeigte er sich sehr einverstanden mit den amerikani 
schen Versuchen, die Bindung zwischen Museum 
und Öffentlichkeit inniger zu machen. Er weist als 
nachahmenswert für die europäischen Galerieleitungen 
darauf hin, daß man in den Museen New-Yorks
	        
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