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Georg Kars Akt (Gemälde)
Paris ausführte, und an den impressionistisch gege*
benen Schilderungen von Blumensträußen oder Land*
Schaftsansichten jene Zucht des Auges und jene Sicher*
heit der Hand, die immer die Vorbedingungen des
malerischen Schaffens bleiben, so wird bei ihm all*
mählich die Bestrebung mächtiger und mächtiger, die
Augenerlebnisse wegzulassen oder zum voraus zu
überspringen und aus dem verhüllten Gerüste der
Dinge nur ihre letzte kubisch*planimetrische Restform
herauszugestalten. Die Farbe, die sinnlich war, ver*
löscht zu gipsgrauen und lehmgelben, gleichsam un*
organischen Abtönungen,- der Muskelbelag der Er*
scheinungen schrumpft ein zu einem feingefaserten
Gewebe von mathematischen Strichen, Bogen, Ringen,
Höfen,- vom Schauspiele körperlicher Bewegungen,
formenreich geöffneter Blumen*, Getier*, Straßen*
Wirklichkeiten zieht der Maler die Summe der Neben*
umstände ab,- er verdichtet, er filtert den gedanklichen
Inbegriff heraus, er versachlicht. »Die neue Bildge*
staltung, schreibt er einmal, kann vermittels keiner
natürlich leibhaftigen Vorstellung in die Sichtbarkeit
treten, da die leibhaftigen Vorstellungen stets mehr
oder weniger in Beziehung zum Eigenpersönlichen
stehen. Die neue Bildgestaltung kann nicht in jene
Mittel eingehüllt sein, die das Eigenpersönliche kenn*
zeichnen, nicht in die natürliche Form und Farbe,
sondern ihren Ausdruck muß sie in den Abstrak
tionen von Form und Farbe gewinnen: in der geraden
Linie und der rein herausgestellten Primärfarbe.«
Jakoba van Heemskerdk, die einer seit Jahrhunderten
blühenden Malerfamilie entstammt hat gleichfalls mit
der getreuenWiederholungderWirklichkeit begonnen.
Ihre Ausgangsstelle war der Kreis der Larenschen
Freilichtmaler, wo sie gewissenhaft zeichnen und den
Farbenton gemäß der naturalistischen Schilderungs*
absicht spalten und komplementär auf die Leinewand
setzen lernte. Zuerst in der zeichnerischen Linien*
führung, hernach in der Farbenbehandlung künden
sich dann Absichten an, das Bild geistig zu verselb*
ständigen. Die Wirklichkeit wird abgebaut und um*
geformt, die Auslese bestätigt sich insbesondere an
landschaftlichen Vorwürfen: Dünenketten, Segelschiffe,
Fischerhütten, an den Wipfelbällen der Waldbäume.
Es entsteht eine zweite Seinwelt, ein Raumgefüge
starker, einfach geschwungener, monumental gehal*
tener Linien, die ihre eigene einfache Sprache reden.
Die Bildtafel besitzt ihre künstlerische Bürgschaft nun
nicht mehr in derWiedererkennbarkeit naturentlehnter
Figurenumrisse, sondern in jenem rein formalen
Wohlklangsverhältnis, welches die Teile, die Kurven,
Überschneidungen untereinander herstellen. Das be*
herrschte Spiel der Werte, der Klänge, der Gewicht*
und Gegengewichtspannungen tritt als der einzige
Inhalt des Bildes, als sein Zweck und seine Schön*
heitsregel auf.
Moholy-Nagy Komposition