Volltext: Zweiter Jahrgang (2(1921))

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Georg Kars Akt (Gemälde) 
Paris ausführte, und an den impressionistisch gege* 
benen Schilderungen von Blumensträußen oder Land* 
Schaftsansichten jene Zucht des Auges und jene Sicher* 
heit der Hand, die immer die Vorbedingungen des 
malerischen Schaffens bleiben, so wird bei ihm all* 
mählich die Bestrebung mächtiger und mächtiger, die 
Augenerlebnisse wegzulassen oder zum voraus zu 
überspringen und aus dem verhüllten Gerüste der 
Dinge nur ihre letzte kubisch*planimetrische Restform 
herauszugestalten. Die Farbe, die sinnlich war, ver* 
löscht zu gipsgrauen und lehmgelben, gleichsam un* 
organischen Abtönungen,- der Muskelbelag der Er* 
scheinungen schrumpft ein zu einem feingefaserten 
Gewebe von mathematischen Strichen, Bogen, Ringen, 
Höfen,- vom Schauspiele körperlicher Bewegungen, 
formenreich geöffneter Blumen*, Getier*, Straßen* 
Wirklichkeiten zieht der Maler die Summe der Neben* 
umstände ab,- er verdichtet, er filtert den gedanklichen 
Inbegriff heraus, er versachlicht. »Die neue Bildge* 
staltung, schreibt er einmal, kann vermittels keiner 
natürlich leibhaftigen Vorstellung in die Sichtbarkeit 
treten, da die leibhaftigen Vorstellungen stets mehr 
oder weniger in Beziehung zum Eigenpersönlichen 
stehen. Die neue Bildgestaltung kann nicht in jene 
Mittel eingehüllt sein, die das Eigenpersönliche kenn* 
zeichnen, nicht in die natürliche Form und Farbe, 
sondern ihren Ausdruck muß sie in den Abstrak 
tionen von Form und Farbe gewinnen: in der geraden 
Linie und der rein herausgestellten Primärfarbe.« 
Jakoba van Heemskerdk, die einer seit Jahrhunderten 
blühenden Malerfamilie entstammt hat gleichfalls mit 
der getreuenWiederholungderWirklichkeit begonnen. 
Ihre Ausgangsstelle war der Kreis der Larenschen 
Freilichtmaler, wo sie gewissenhaft zeichnen und den 
Farbenton gemäß der naturalistischen Schilderungs* 
absicht spalten und komplementär auf die Leinewand 
setzen lernte. Zuerst in der zeichnerischen Linien* 
führung, hernach in der Farbenbehandlung künden 
sich dann Absichten an, das Bild geistig zu verselb* 
ständigen. Die Wirklichkeit wird abgebaut und um* 
geformt, die Auslese bestätigt sich insbesondere an 
landschaftlichen Vorwürfen: Dünenketten, Segelschiffe, 
Fischerhütten, an den Wipfelbällen der Waldbäume. 
Es entsteht eine zweite Seinwelt, ein Raumgefüge 
starker, einfach geschwungener, monumental gehal* 
tener Linien, die ihre eigene einfache Sprache reden. 
Die Bildtafel besitzt ihre künstlerische Bürgschaft nun 
nicht mehr in derWiedererkennbarkeit naturentlehnter 
Figurenumrisse, sondern in jenem rein formalen 
Wohlklangsverhältnis, welches die Teile, die Kurven, 
Überschneidungen untereinander herstellen. Das be* 
herrschte Spiel der Werte, der Klänge, der Gewicht* 
und Gegengewichtspannungen tritt als der einzige 
Inhalt des Bildes, als sein Zweck und seine Schön* 
heitsregel auf. 
Moholy-Nagy Komposition
	        
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