Volltext: Zweiter Jahrgang (2(1921))

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Die Farbe geht inzwischen ihren eigenen Weg der 
Befreiung- Sie reinigt sich von den Mischtönen. Sie 
wächst an Ausdrucks Verdichtung, vergeistigt, ver* 
dünnt sich nach Seiten der chemischen Zusammen* 
Setzung. Sie gewinnt eine Lauterkeit sondergleichen. 
Allgemach vermag sie dann losgelöst vom Gegen* 
stände zu bestehen. Ihre nennende, signalisierende 
Kraft schafft mit Gegenständen und Ausgleichen, mit 
plötzlichen Hervorbrüchen und hinschwindenden 
Dämmertiefen ganze Gesänge des Leuchtens und 
Flutens, und diese reinen Stimmungsergüsse werden 
niemals in verhohlener Fühlungnahme mit dem Be* 
schauer auf ein vorab gebilligtes Programm festgelegt. 
Am Ende vereinigt sich die Farbe wieder mit der 
Zeichnung. Im Ansätze des Pinsels, in der Führung 
der zeichnerischeu Linie ist nichts mehr übrig, was 
den Blick auf das Ich des Künstlers frei gibt, Ganz 
rein und namenlos tragen die innere Erfahrung, trägt 
das hochgesteigerte Können sich selber vor. Es ent* 
stehen jene reichen, prangenden Farbenkompositionen, 
deren künstlerische Ballung so stark gespannt ist, daß 
sie des Zusammenhaltes des Holzrahmenvierecks 
nach derWeise des Staffeleibildes nicht mehr bedürfen. 
Ihre figürliche Fülle wird von der eigenen Mitte her 
gegliedert und abgegrenzt. Die Stilregeln des Flä* 
chigen walten in ihnen derart lebendig, daß dieWand* 
ebene, allwo diese Malereien ihren Platz finden, erst 
durch sie aus der baukörperlichen Erstarrung geweckt 
wird. Mit Arbeiten auf Äthernit, mit Glasfenster* 
gemälden und Mosaikeintäfelungen hat die Künst* 
lerin noch obendrein bewiesen, welche Möglichkeiten 
sich hier für die Wiederannäherung zwischen Malerei 
und Baukunst für die Wiederaufhebung des alten, 
selbstlosen, menschlichen Werkstättengeistes in der 
Kunst eröffnen.. 
Im Haag. F. M. Huebner. 
Museumsfragen 
Die am 5. Februar 1919 ernannte Reichskommis* 
sion, Vorsitzender Dr. M. I. Duparc, Haupt der 
Abteilung Kunst und Wissenschaft am Unterrichts* 
ministerium, hat neulich ihren Rapport veröffentlicht 
in Bezug auf die Umgestaltung des niederländischen 
Museumswesens. Sie betrachtet den gesamten Be* 
stand der holländischen Museen als ein organisches 
Gebilde und von diesem Gesichtspunkt ausgehend, 
beabsichtigt sie eine Einteilung in drei Kategorien 
von Gegenständen, je nach der Art des vorhandenen 
Materials. Erstens will sie eine Sammlung herstellen, 
die nur dasjenige umfassen soll, was an Schönheits* 
wert ganz hervorragend sei, ohne dabei zu berück* 
sichtigen, aus welcher Periode es herkommt oder in 
welcher Technik es ausgeführt sei. Zweitens käme 
alles dasjenige in Betracht, was kunsthistorischen 
Wert hat und drittens ist ein historisches Museum 
vorgesehen. Es handelt sich also darum, aus allen 
Museen dasjenige zu wählen, was sich als höchste 
Kunstäußerung auszeichnet. Ferner sollten aus dem 
Ryksmuseum in Amsterdam solche Gemälde zu* 
sammengebracht werden, welche bedeutend sind als 
Beiträge zur Kenntnis der niederländischen Geschichte,- 
sie müßten den Kern bilden für das Niederländische 
Historische Museum, und dazu sollten Porträts und 
Dokumente gefügt werden, die sich auf diese Ge 
schichte beziehen. Beide Museen, sowohl das Histo* 
rische als das Allgemeine Kunstmuseum sind in 
Amsterdam gedacht. Daneben käme in Betracht ein 
Museum für Kunstgeschichte, wozu im Ryksmuseum 
auch nach der vorangehenden Trennung noch genügend 
Material vorhanden bliebe. In dieser Weise wären 
die beiden Strömungen der Geschichte, die politische 
und die Entwicklungsströmung von einander getrennt 
und doch im Zusammenhang zu studieren. 
Die Vor* und die Frühgeschichtlichen Abteilungen 
des Historischen Museums müssen in Leiden bleiben, 
wo der Anschluß besteht mit dem archaeologischen 
Museum, der unentbehrlich ist,- das Ethnographische 
Museum aber könne nach der Ansicht der Kommis* 
sion in Leiden nicht die erwünschte Entwicklung er* 
halten, wäre deswegen besser im Haag untergebracht. 
Das Prinzip, das aus den verschiedenen Erwä* 
gungen hervorging, führte zu Konsequenzen, die das 
Zusammenarbeiten der großen und der lokalen Mu* 
seen beeinflussen und fördern mögen, indem der Vor* 
stand des Zentralen historischen Museums sich ver* 
pflichtet, den Leitern der lokalen Sammlungen Auf* 
Schluß zu erteilen. Durch zweckmäßiges Austauschen 
des Materials, wobei an der einen Stelle das Über* 
schüssige abgegeben wird zur Ausfüllung von Lücken 
anderwärts, dann wieder von dort aus ersetzt wird, 
mit dem was da zu viel in anderer Beziehung vor* 
handen ist, würde der Gehalt dieser kleinen Samm 
lungen gehoben und ein fast idealer Zustand er* 
reicht sein. 
Sogar für die großen Museen ist Austausch er* 
wünscht in solcher Weise, daß nach einer bestimmten 
Anzahl von Jahren die Gegenstände des Allgemeinen 
Kunstmuseums wieder ihre Stelle einnehmen können 
da wo sie historisch hingehören, um also den Platz 
frei zu machen für andere, die auch ihrer Schönheit 
wegen für das Kunstmuseum in Betracht kämen, 
entweder die schon in Museen vorhandenen oder 
Neuerwerbungen.
	        
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