Volltext: Zweiter Jahrgang (2(1921))

290 
Es ist ein Jahr der, daß mein Sohn den Lampenschirm zerschmiß und ich einen Lampion aufhing. 
Da fing ich an, in dieser maherischen Befeuchtung zu mähen. Eigentfich nur der Überraschungen wegen, 
die meine Earhen heitn nächsten Morgen erhehten. Zur sehhen Zeit kam ich vom Horoskopmann, der mir 
die Earhe afs Begabung zu schob. 
Ratlos saß ich nun unter dem Lampion und von da an mähe ich immerzu. Ich fitt aber sehr unter den 
Reklame*Schildern in der Elektrischen. Ich sagte mir in tiefster Bewunderung: Nie wirst du so drei 
Karne he zeichnen können oder Rosen, wo Eautropfen in samtenen Ke heben hängen. Ich täusche mich sehhst 
nun über diesen Schmerz hinweg und sage zu mir: Du mußt „märchenhafte ” Bhumen mähen — mär eben* 
hafte Bhumen —. Am hiehsten zeichne ich Porträts von meinen Ereunden, die ich dann ähn hi eher finde, 
ahs sie sehhst es sind. 
Ich trenne mich sehr schwer von meinen Bihdern und werde nie eine Dichterin oder eine richtige 
Maherin sein. 
Ich möchte meine Märchen ihhustrieren, Zeichnungen machen von ahh dem, was in mein Lehen tritt, die 
ich dann mit vieler Ereu de anmafe. CP au ha Ludwig J 
PAULA LUDWIG 
ABEND 
Vergebens müht aus altem Haus 
Zur Höhe sich der Rauch. 
Es bricht der Halm 
Wenn jäh der Wind sich dreht. 
Am Ackersaume kriecht so spät die Wolke. 
Zerbröckelt nicht der Himmel schon 
und jedes Ding im Raum? 
Und alles Licht erlischt, 
daß über dir der Baum 
nicht Schatten mehr 
und nur die müde Geste ist. 
Und selbst die Hand entschlummert sanft 
wenn du sie hebst 
und Totenstille ist in dir 
da du noch lebst. 
GEDICHTE 
Es ist dein Tod, 
der mich so sehr in dich gesenkt, 
daß keine Wolke mir den Tropfen schenkt 
den ich gebrauche 
um von dir mich loszuweinen. 
Weh, daß in fremdes Blut 
ich meine Finger tauche, 
nur um dem deinen 
wunschlos zu erscheinen 
und nicht Gewicht vor deinen Füßen sei. 
Ich fühl, 
es ruft dich mit so nahem Schrei 
' die Erde, 
noch eh dem Sterbenden der Sinn gewährt. 
Wo willst du mit so schmalem Lächeln hin — 
In meine Kreise kehrt 
dein Atem doch, nach allem Tod mir überlassen. 
Und nie kommt schwarzer Wind in meine Gassen 
Da ich so vieler Dinge Leben bin. 
ABEND WANDERUNG 
Du sprichst, du sprichst zu mir! 
Ich höre und demütig senkt 
meine Schulter sich neben der deinen. 
Du schreitest schlicht durch die Dämmeiung 
ohne den Glutglanz deines Lebens. 
An deiner Seite steht mein Herz offen, 
und Schalen sind meine Hände. ' 
Ich gehe behutsam neben dir, 
daß ich nicht trete auf deinen Schatten, 
Wehe nicht so sehr, Wind! 
Ich trage Zartes in meinen Händen. 
Warum stehen die Häuser 
so sicher in den Tag hinein — 
Und Stimmen werden laut, 
die riefen nach niemandem mehr. 
Es gibt Blumen, die 
des Abends aufblühn, 
sie sind blau und seltsam — 
Und ist es nicht, 
als schrie im Baum voll Blüten 
ein Vogel auf und fällt, 
betäubt vom Duft und bang vor so viel Süße..
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.