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gesehen hatte, die Lebensführung des Asketen gestattete. Er bekämpfte vor allem die für Indien
so verhängnisvoll gewordene Propaganda der neuen pazifistischen Religion unter dem Kriegerstande,
Doch gerade an seinem Pazifismus und Internationalismus sollte der Buddhismus in Indien zugrunde
gehen. Zur Zeit der Flavier hatten die ins Punjab eingefallenen tibetanischen yue*tchi ein Reich
von Peschawar bis Mathura gegründet, Ihre Kushandynastie nahm den mahayanistischen Buddhis
mus der Gandharaskulpturen an und ließ auf dem Konzil zu Kaschmir die deuterokanonische
Literatur dieser nördlichen Kirche fixieren. So trat der buddhistische Machtwille in ein religiös*
politisches Bündnis mit dem Nationalfeind und ließ sich von dem Eindringling zur Bekämpfung der
nationalen Religion und Politik in den noch unabhängigen Staaten Aryavartas mißbrauchen.
Dafür hatte er aber auch am Ende der Kushanepoche seine politische Rolle ausgespielt. Schon der
chinesische Pilger Fa*hian staunte in der Zeit, da Alarich Rom eroberte, über den Verfall seiner
Religion in ihrem Mutterlande, sein Landsmann Hiuen-Tsang fand zwei Jahrhunderte später
überall Ruinen buddhistischer Klöster. In der Zwischenzeit, im Jahre 526, hatte Boddhidharma,
der 28. Patriarch des Buddhismus, den Sitz des Patriarchats aus Indien nach Canton verlegt. Wie
ein Fremder verließ Gautama, der sich den Buddha, d. h. den Über*Gott und Messias, genannt
hatte, in seinem Patriarchen das Land, für dessen historische Lebensnotwendigkeiten er kein Ver*
ständnis besessen und an dessen Zersetzung und Entnervung die von ihm gegründete quietistische
Kirche tausend Jahre lang trotz aller ungeheueren Schäden im ganzen doch erfolglos ge
arbeitet hatte.
In diesen Jahrhunderten hatte der Druck der äußeren Not die religiös*politisdhe Renaissance
des indischen Volkes bewirkt. Seit dem Wetterleuchten des Alexanderzuges wurde die West*
mark des Punjab immer wieder von neuen auch die Gangesländer bedrohenden Eroberern über
flutet.' Auf die Griechen des baktrischen Reiches folgten die Parther,- dann kamen yue=tchi,
Hunnen, Türken, Afghanen und schließlich die Mongolen. Zum mystischen Faulenzen und seiner
Dialektik war die Zeit vorbei,- die notwendig gewordene nationale Konzentration aber war nur
auf dem Boden der aktiven brahmanischen Nationalreligion möglich, die ihrer Gegnerin nach und
nach alle verlorenen Positionen wieder entriß. Unter dem Kaisertum der Guptafamilie, die in der
Zeit Konstantins die Gangesstaaten unter ihrer Führung vereinigte, erlebte die Nation ihr
grand siede. Architektur, Plastik und Drama erreichten die Höhe der Klassizität. Die heiligen
Schriften der brahmanischen Nationalreligion, die beiden Nationalepen und das nationale Gesetz*
buch des Manu, die indische Thora, erhielten ihre endgültige Form. Vielleicht noch zur Zeit der
yue*tchi, als die Gangesstaaten den Barbareneinfällen offen lagen, entstand das Kleinod des
Mahabbharata, die Bhagavat Gita, als eine Warnung des Kriegerstandes vor der Verführung
zum buddhistischen Ordensleben. Wie ein Alarmruf klang dieses hohe Lied auf die aktive Reli
giosität in die Ohren des Adels und erinnerte ihn an die Pflicht seines Standes, im heiligen Kriege
das Gesetz der Nation gegen die Barbaren und die mit ihnen verbündeten Buddhisten zu be*
schützen, deren Propaganda für die passive Frömmigkeit die Defensivkräfte der bedrohten Staaten
zugunsten des Feindes schwächen mußte: Wenn dann später zurZeit der ersten Khalifen Kaiser
Harscha von Kanauj glaubte, zur Herstellung der religiösen Einheit des Staates Buddha als vierten
Aspekt des Einen Welt* und Nationalgottes mit der Trimurti verbinden zu können, so war das
eine Täuschung,- es handelte sich hier nicht um scholastisch zu überwindende Begriffsgegensätze,
sondern um unversöhnliche Widersprüche der Instinkte. Endlich erschien zur Zeit Karls des
Großen Sankaracharya, der große Scholastiker des vedantistischen Brahmanismus aus dem Dekan,
welches nun an Stelle des vom Islam bedrohten Aryavarta die Hochburg der brahmanischen
Nationalreligion wurde. Dieser schiedaitische Brahmane ist der Hammer des Buddhismus ge*
worden, den er auf indischem Boden dialektisch für immer vernichtete.