gewandelt. Der äußere sinnfällige Schein, die kleinen Schönheiten der Natur werden zum Erlebnis
und der Glaube an die großen und ewigen Kräfte, vor denen der Einzelne versinkt, ist nur mehr
Ahnung oder Spekulation.
Ararat und Alägös werden zu Symbolen ewiger Erneuerung und ewigen Bleibens. Aus
ihrem Umkreis ersprießt verschieden geartetes Menschentum als Träger verschiedenartiger
Kunst.
Als kristallinische Masse stehen die Bauten auf der Fläche des Hochlandes,- oder sie wachsen
in geschlossener Silhouette aus den Dachterrassen des Dorfes, stehen auch einsam in den steinigen
Schluchten. Die weite Ebene, die Höhe der Schluchten macht menschliche Dimensionen zunichte.
Selbst Stein vom Stein des Landes stehen die Bauten grau in grau. Und man müßte meinen,
das Menschenwerk ver
sinke in den Maßen und
der Farbe der Natur.
Und doch sind sie klar
dem Auge faßbar und
wetteifern mit der um»
gebenden Größe. Denn
hier werden nicht die
Maße des Menschen
die Glieder eines Orga
nismus geltend gemacht,
noch aber auch die bloße
Riesenhaftigkeit der
Massen,- sie würden in
dieser Landschaft ver
schwinden. Nur die ab
strakten Gesetze des
Kristalls können hier
wirksam werden, und
in kristallischen Massen
baut sich der Dom:
Glatte, ungeteilte Flä
chen, streng abgesetzte
Kanten, klar gezeich^
nete Gesimse und spitze
Kars, Kathedrale
Dächer im Aufriß,- stern=
förmig, aus dem Qua=
drat oder Rund ent^
wickelt, allseitig gleich
gerichtet im Grundriß:
eine in sich begrenzte
abstrakte Gesetzmäßig
keit inmitten der gewal
tigen Landschaft. Für
die Ewigkeit sind die
Mauern errichtet, im
Stein des Landes gegos^
sen, und kaum das Land
selbst, wenn es die vuL
kanische Macht erschüt
tert, kann sie zerstören.
Dort aber die Mo
schee, der Palast, einge
bettet in das Grün der
Gärten wie die ganze
Stadt, und breit hinge
lagert wie die Ebene.
Nur die Kuppeln und
Minaretts ragen darüber
hinaus als äußerliche
Zeichen geistlicher oder weltlicher Macht, wie diese vergänglich und wechselnd in den Formen.
Durch Prunk wird der Reichtum der Umgebung zu übertreffen gesucht. In Blau, Rot und Grün
glänzen die Fliesen der hohen Portale und Bedachungen. Fliesen, Gemälde und Ornamente
bedecken die Wände im Innern. Aber der Prunk ist ein äußerlicher, ist nur Verkleidung ver
gänglicher Ziegelmauern und des Holzwerks der Decken, kaum wenige Jahrhunderte dauernd
und dem Verfall aus sich selbst oder der Zerstörung durch die wechselnden Herrschaften
anheimgegeben. Aber wie sich die Natur hier immer wieder zu neuem Reichtum gebiert, so
ersteht immer wieder neu der Reichtum der Kunst. Kunst und Natur verschmelzen ineinander.
Das freie Wachstum der Pflanzen wird in den Gärten in die architektonischen Gesetze der zeiligen
Alleen und der abgezirkelten Beete, die Wasserläufe in geradlinige Teiche und Kanäle gebannt,
die strenge Geradlinigkeit der Gebäude in Bogen und Kuppeln zu Kurven aufgelöst, ihre kubischen
Formen durchbrochen, die abstrakten Wände von den Blumenranken des Ornaments umrankt.