330
Tage fertig,- aber siehe, es fehlten zwei Ziegel. Erzürnt fragte der König nach den Säumigen und erhielt zur
Antwort, seine beiden Günstlinge seien im Verzug geblieben. Ohne Gnade ließ er sie hinrichten. Als er
sich nun anschickte weiterzureisen, war sein Schiff nicht von der Stelle zu bewegen. Man überlegte und beriet
und gewann die Überzeugung, daß die gewaltsam ums Leben gebrachten Brüder als »Nat« an der Stätte
ihres Todes spukten und diese Schwierigkeiten verursachten. Durch Opfer glückte es, ihren Zorn zu besänf«
tigen, und die Reise ging nun weiter. Aber das gespenstische Paar mußte zur Abwehr weiteren Unheils
auch fernerhin durch Verehrung begütigt werden, und so entstand das alljährliche große Natfest.®)
In der dunklen gewölbeartigen Kammer der Taungbyoner Pagode ist eine Buddhafigur aus Stuck,-Wachse
kerzen, von Betern geopfert, qualmen in dem schwülen Raum. Oberhalb des Eingangs zeigt man am Tür
bogen die übertünchte Stelle, wo die zwei Ziegel fehlen. Jedem der offiziellen 37 Nat ist sein Wirkungskreis
zugeteilt, den beiden Nat vonTaungbyon untersteht der Bezirk Mandalay. Kein Wunder also, daß alle seine
Bewohner die Verpflichtung fühlen, zu ihrem Jahresfest zu pilgern, um Schaden und Gefahren zu beschwören.
Vier Tage dauert das Vergnügen,- eine riesige Volksmenge strömt zusammen. Beim Zegyo=Bazar, am
belebtesten Platze Mandalays, sammeln sich die Wallfahrer, und die Szenen, die sich von da bis Taungbyon
und am Festorte selbst abspielen, gehören zu den reizvollsten Bildern, an denen man sich in dem an malerischen
Eindrücken nicht Geringes bietenden Birma ergötzen kann. Schon vor Morgengrauen hört man das Klingeln
und Knarren der Ochsenwagen, unter deren mit roten und bunten Tüchern belegten Mattendächern fröhliche
Menschen in lichtfarbigen Gewändern lachend und scherzend ihrem Ziele zustreben. Wie eine Karawane
nimmt sich die lange Karrenreihe aus,- die meisten Insassen werden nur bis zum Irrawaddy-Kanal befördert,
wo die Boote bereit liegen,- wenige benutzen ihr Gefährt auch für den holperigen Weg auf dem Damme, der
durch das beim Kanalbau ausgehobene Erdreich gebildet ist. Auf ihm ruht auch das Geleise für eine kleine
Lokalbahn, die zur Zeit unseres Besuches, weil man der Sicherheit des Unterbaues noch nicht traute, dem
öffentlichen Verkehr nicht übergeben war. Für die Festtage aber lief ein Sonderzug für Beamte und geladene
Gäste, und ihnen durften wir uns zugesellen.
Das gemächliche Fahrtempo gestattete, das lustige Treiben auf dem nebenher fließenden Kanal bequem zu
verfolgen,- Boot an Boot schob sich vorwärts, überspannt von den Reifen für die gegen Sonnenglut und Regen
vorgesehenen Matten, die aber an dem mäßig heißen, windgekühlten Tag nicht nötig waren. Und drinnen
hockten die Leute in vergnügtester Laune, ganze Familien mit den kleinsten Babies, die Frauen und Mädchen
mit Blumen im Haar, Männer und Kinder mit buschigen Farrenkränzen um die Stirn. Rhythmisches Hände^
klatschen, Singen und Tanzen verkürzte dem jungen Volk die Zeit. Bei den Dörfern unterwegs standen Buden
mit Getränken, frisch gekochten Speisen und Näschereien. Auf dem Fahrweg stochte oft, um den entgegen^
kommenden Karren auszuweichen, der Zug der Ochsenwagen, deren Bespanntieren man Farrenkränze um
die Stirn gewunden hatte. Am Landungsplatz herrschte zwischen anlegenden Booten und den ausspannbereiten
Karren ein buntes Gewühl,- in dichten Scharen ergoß sich das Volk über eine Brüche in das armselige Dorf,
das man durchziehen mußte, um zum Festplatze bei der Pagode zu gelangen. Diesen dechte ein ausgedehnter
Bazar mit fliegenden Ständen für Genußmittel und andere Waren,- Schießstände, Schaubuden und Glücks^
spiele zogen die Besucher an. Vor der Pagode steht der Holzpavillon <Bild 10), in dem die geschnitzten ver
goldeten Figuren der beiden Nat aufgestellt sind — Gestalten des Typs, wie er für solche Geister Iandes=
üblich ist. Sie tragen die altbirmanische Hoftracht mit den geschweiften Schulterkragen und Schößen und dem
pyramidenförmigen Kopfputz, über der Schulter halten sie ein Schwert. An diesem Tage aber war von ihnen
nicht viel zu sehen, denn die Ehrfurcht heischt, daß man die Figuren mit Seidenstoffen behängt und bekleidet.
Vor ihnen auf einem Tische lagen aufgehäuft die Gaben der Gläubigen, darunter getriebene Silberschalen,
schöne Erzeugnisse birmanischen Kunsthandwerks, und andere Kostbarkeiten. Mit Mühe nur konnte man
sich in den engen Raum zwängen. Vor ihm, auf einem überdachten Podium, tanzte wie toll Jung und Alt
beim Klange einer eintönigen Musik. Und schon harrten viele Leute erpicht auf die Ablösung, um den Nat
auch ihrerseits die Huldigungs-Tanzorgie vorzuführen, bei der sich vor allem die Natweiber hervortaten.
Diese sind zugleich Wahrsagerinnen, die im Natkult ihren Beruf sehen und selbst eine Anzahl besonders
volkstümlicher Figuren besitzen, mit denen sie wie unsere fahrenden Schausteller Buden beziehen,- auch an
®> Ausführlicher, in Einzelheiten abweichend, berichtet über den legendären Untergrund der Gazetteer of Upper
Burma (Rangoon 1901) II, 2, p. 104ff.,- vgl. auch den von Abbildungen begleiteten Text inTemples obengenanntem
Werke »The Thirty=seven Nats« und Indian Antiquary 1906, p. 225.