108 Theodor Däußfer - Simuftanität
TBeodor DäuBfer:
SIMULTANITÄT
S TIL ist Schicksal: wir können unseren Stil nicht selber wählen.
Früher zeichneten die Baumeister ihre Pläne mit freier Hand,
heute regiert das Lineal und das Reißbrett; daher wird eine groß*»
zügige Einfachheit den Stil, der kommt, bestimmen müssen! Wagner
in Wien, Loos in Wien, Peter Behrens, Martens in Berlin, Poelzig
in Breslau, Franklin Wright in Chicago sind bereits moderne Archi*
tekten. Wo ist da unser Stil? Wo ist bei ihnen das Gemeinsame?
Im Säuberlichen, in dem, was sie weglassen, in der gemauerten
Selbstkritik, die sie uns bringen. Übrigens will ich von Simultanität,
noch nicht von Stil sprechen!
Die Gründerjahre sind der Ausdruck der bürgerlich*unsittlichen
Gesellschaft im neunzehnten Jahrhundert. Jeder angestiefelte Empore
kömmling konnte seiner Frau zu Weihnachten eine Gotenburg sehen*
ken, jeder Streber als Baumeister hatte auf der Kunstschule das
Recht, Neigung zur Renaissance zu fühlen, oder sich Rokoko zu
wünschen,- der Protzenbauer durfte sein Dorf durch ein Stadtgebäude
verschandeln: anstatt sich zu Hause zu verkriechen, errichtete er sich
eine Wohnstätte, die zugleich ein Wahrzeichen öffentlichen Ärger*
nisses, seines schlechten Beispieles wurde. Versicherungsgesellschaften
ersetzten bald die himmlische Vorsehung und schafften das warm*
nestige, hergebrachte Strohdach ab,- so bedauerlich das ist, so können
wir uns doch nicht dagegen auf lehnen, hier spricht ein ordnendes,
modernes Prinzip mit, dem Schicksal wollen wir uns nicht entgegen*
stemmen. Freilich gibt es imprägniertes Stroh, nur ist man etwas
spät darauf gekommen!
Unsere alten Städte brauchte man aber nicht zu brandschatzen,
das Neue hätte weniger erbärmlich ausfallen müssen, zumal die