Volltext: Die weissen Blätter (3(1916),1)

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Theodor DäuBfer • Simuftanität 
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anrichten. Darum könnten wir dort anfangen, wo Brunellesdii die mit 
Donatello dem Verstand zu seinem Recht in der Kunst verhalf: bei 
der Sakristei von San Lorenzo. 
Vielleicht ist man aber immer noch so weit, daß unsre besten Ar 
chitekten sich sogleich in Schinkel einzufühlen vermögen: dann würden 
wir im Nu die ganze Tradition wiedererobert haben und beherrschen. 
Dann wäre auch das fünfzehnte Jahrhundert Toskanas demnächst 
eine Bereicherung mehr, kein Beginn! Italienische Probleme waren 
aber niemals wichtiger als soeben. Eines sollen wir nicht vergessen: 
Deutschlands schöne Zeile, die Ludwigstraße, führt nach Florenz. 
Wohin mochte wohl die Maximilianstraße gewiesen haben? Zu den 
Tudors nach England? 
Es ist wahrscheinlich, daß der Klassizismus zuerst Berlin zurück- 
erobern wird, Möller van der Bruch hat recht, wenn er dort die Vor 
bedingungen dazu erkennt und feststellt. Übrigens hat das klassizie- 
rende Potsdam und was von Berlin noch übrig ist nichts mit Florenz 
zu tun. Palladio ist da viel eher der große Ahnherr, Überhaupt die 
Po-Ebne! Könnte das norddeutsche Tiefland nicht in dieser, nun 
mehr ganz seiner eignen Richtung fortschreiten und dem hügligen 
Süden sein Toskanisches überlassen? 
Soll das unsre Zeit erfüllen? Bevor ich »nein« sage, möchte ich 
noch den Grund anführen, der dem Klassizismus am entschiedensten 
das Wort redet. Warum sollte unsre Zeit auf allen Gebieten neu 
gebärend sein? Sollten nicht aufgepeitschte Menschen gerade eine 
Wohnstätte ihrer Herkömmlichkeit besonders lieben, einem neuerungs- 
besessnem Aufenthalt, dem sie sich schidksalsartig ausgeliefert fühlten, 
unbedingt vorziehen? Sollte nicht Kunst gerade jetzt eine Sendung 
zur beruhigenden Überlieferung übernehmen können! Einer schnell- 
dahinlebenden Zeit eine letzte Kunst: letzte im Sinne von Ewig 
keitswittern. 
Diesen Standpunkt vertrete ich eigentlich vollauf: aber ich bin 
trotzdem beunruhigt, weil uns der Simultanismus erfaßt hat. Aller 
dings versagt er in der Baukunst noch vollständig. So wenden wir 
uns zur Bildhauerei und Malerei, seinem ungefährlicheren Kampf 
gebiet. Folgendes schicke ich voraus: Simultanität ist unser gefähr 
licher Reichtum, der Charakter ist Expressionismus!
	        
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